Grüße aus der Hängematte
Tch-tchi-tchin
Im Urlaub ist manchem Mitglied unserer Gesellschaft alles egal. Die einen solchen urinieren abends auf den Strand, andere liegen mit Notebook und Erdbeerbowle in der Hängematte und lassen eine Viertelstunde lang die Dreifaltigkeit Revue passieren.
8. April 2017, 21:58
Mir ist alles egal, ich bin in Urlaub. Kürzlich konnte ich ein Wort nicht aussprechen. Dieses Wort stand in einem Manuskript, und ich hatte das Manuskript zu lesen, weil ich Radiosprecher bin und dafür bezahlt werde, dem verehrten Publikum Manuskripte vorzulesen, jedenfalls Teile davon, meistens die Übersetzungen, weil Österreich 1 zwar viele fremdländische Menschen nach ihrer Meinung fragt, seinen Hörerinnen und Hörern aber nicht zutraut, zum Beispiel die englische Sprache zu verstehen, was ich wiederum super finde, weil ich selbst nur ganz wenige englische Wörter kenne.
Oder es sind die Zitate, wie auch in jenem Fall, als ich ein Wort nicht aussprechen konnte. Ich begann den Satz zu lesen, stolperte über das Wort, begann den Satz noch einmal, stolperte über das Wort, begann den Satz noch einmal, stolperte über das Wort, begann den Satz noch einmal, verfluchte mich und das Wort und die Sprache an sich und mich an sich. Immer wieder sagte ich "tch", "tchi" oder auch "tchin". Dann stürzte das Studio ab. Das heißt so. Das ist, wenn nichts mehr geht. Ich hatte das Studio kaputt gemacht mit meiner Inkompetenz. Bei uns stürzt andauernd irgendein Studio ab, das ist völlig normal und so gesund wie Kneippkuren. Diesmal stand es nicht mehr auf von den Toten. So wie auch das Wort. Ich hatte sie beide erledigt.
Das Studio gibt keinen Ton mehr von sich. Der Redakteur öffnet die Tür zu der Sprecherkabine, wo ich drin sitze, sagt einen Redakteurssatz, schließt die Tür, die Türklinke auf meiner Seite fällt ab, ich hebe sie auf, will sie wieder anstecken, aber dieser Bolzen ist zu weit drin, der Redakteur hat zu muskulös angezogen. Ich käme hier nie wieder hinaus, wenn nicht nebenan der Redakteur wäre und auch der Techniker. Beide lachen übrigens viel über das Wort. Ich glaube, sie lachen über das Wort. Dann tut das Studio wieder so, als ob es lebte. Das erinnert mich an den Religionsunterricht in der Volksschule. Ich versuche noch einmal, den Satz mitsamt dem Wort zu lesen und schaffe es weitere hundert Mal nicht. Die Gegensprechanlage fällt aus, der Redakteur kann mich hören, ich ihn aber nicht. Er will mir etwas mitteilen und schreibt es auf einen Zettel. Ich habe keine Brille auf und keine Kontaktlinsen drin, weil ich Hautaugenhörner - dings, ich seh nichts. Jetzt hört mich der Redakteur draußen auch nicht mehr, weil das Studio den zweiten Tod gestorben ist.
Wenn ich es jetzt auszusprechen versuche, geht es immer noch nicht. Ich kann, will, darf das Wort nicht aussprechen und muss ja jetzt auch nicht mehr, denn der Redakteur hat mich angerufen ein paar Minuten nachdem wir das Studio alle schwitzend und vom Leben enttäuscht verlassen hatten, um mir zu sagen, dass er die Zitate in der Woche drauf aufnehmen wird, und da, antwortete ich, bin ich schon auf Urlaub, und deshalb muss jetzt jemand anderer das Wort sagen.
Sie lasen soeben den Versuch, einen Text in einer Viertelstunde zu schreiben. Es ist mir gelungen. Es ist interessant: Schnelles Schreiben ist gut für den Text, meistens, und wenn man 3.000 Zeichen in einer Stunde schreibt, was schnell ist, dann wird der Text annehmbar, wenn man ihn in einer halben Stunde schreibt, wird er grandios, wenn man ihn in einer Viertelstunde schreibt, wird er ein Patzen Dreck. Was mir egal ist, ich bin in Urlaub. Das Wort war "Trinity".