Es ist vorbei

Adieu Zizou, bravi, azzurri!

Ich habe vor dem Finale den Italienern die größeren Chancen zugebilligt, weil sie trotz Defensivkünsten Wert auf das Offensivspiel legen. Meine Sympathien gehörten den Franzosen, die wie die Blues Brothers versuchten, "die Band wieder zusammenzubringen".

Ich habe vor dem Finale den Italienern die größeren Chancen zugebilligt, weil sie bei allen Defensivkünsten dennoch Wert auf das Offensivspiel gelegt haben. Meine Sympathien wiederum gehörten den Franzosen, die ähnlich wie die Blues Brothers im gleichnamigen Film versucht hatten, "die Band wieder zusammenzubringen“ zu dem einen, dem alles entscheidenden großen Auftritt.

Es ging darum, die noch Aktiven jener wunderbaren Truppe, die bei der WM 1998 im eigenen Land die Konkurrenz in Grund und Boden spielte und die zwei Jahre später bei der Europameisterschaft in Belgien und Holland ein zweites Mal glänzte, noch einmal in die Auslage zu stellen.

Es hat für die Franzosen gegen die ausgebuffte Squadra azzurra nicht gereicht, leider. Thierry Henry konnte während des gesamten Turniers nicht so glänzen, wie man das von ihm in der englischen Premier League und in der Champions-League gewöhnt war. Patrick Vieira, Claude Makelele, Lilian Thuram und Willy Sagnol spielten phasenweise hervorragend, aber letztlich fehlte den Franzosen im Angriff jene Qualität, die in der Defensive sehr wohl vorhanden war.

Zinedine Zidane bleibt für mich trotz seines Ausschlusses beim gestrigen Finale der Spieler des letzten Jahrzehnts. Kein anderer war so sehr "Freund des Balles", keiner konnte soviel Fantasie für die Lösung komplexer Spielsituationen aufbringen, keiner war wie er im Stande, ein Spiel zu lesen, genau zu wissen, wann man das Tempo verschleppen muss und wann es Zeit war für einen Tempowechsel. Und dann die Genialität, mit der er gestern im Finale den Strafstoß unter die Latte lupfte - das macht ihn unsterblich.

Aber Zidane, zu Hause liebevoll Zizou gerufen, war auch immer gut für einen Ausraster, und seine Unbeherrschtheit hat ihm letztlich - obwohl von Italiens Marco Materazzi provoziert - zu Recht die Rote Karte und damit ein unrühmliches Ende einer großen Karriere eingebracht. Adieu Zizou, mit einer Träne im Knopfloch.

Was die Spielkultur betrifft, war diese Weltmeisterschaft in Deutschland eine leise Enttäuschung. Nach dem spielerischen Feuerwerk, das vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft in Portugal von allen Mannschaften (mit Ausnahme der letztlich siegreichen Griechen) abgebrannt wurde, regierte heuer in Deutschland die Vorsicht. Vier Abwehrspieler, zwei defensive Mittelfeldspieler, nur eine Spitze: Diesem Rezept vertrauten drei der vier Halbfinalisten. Ein Trost, dass jene Mannschaft aus diesen drei, die dennoch den größten Wert auf gepflegte Offensive legte, schließlich den Titel gewann.

Nein, diese italienische Weltmeistermannschaft hat nicht mehr dem einst alles beherrschen italienischen Fußball-Axiom des Catenaccio, einem gnadenlosen Abwehrkonzept, gehuldigt. Andrea Pirlo spielte in der Rolle des defensiven Denkers und Lenkers eine grandiose Weltmeisterschaft, weil er das Angriffsspiel der Azzurri geschickt steuerte. Francesco Totti konnte zwar keine Serie von Glanzlichtern setzen, war aber dennoch eine bestimmende Offensivkraft der Azzurri.

Glanzstück der Mannschaft war dennoch die Defensive der Italiener. Gianluigi Buffon war der beste Tormann der WM, Fabio Cannavaro der beste Innenverteidiger, Gennaro Gattuso der beste defensive Mittelfeldspieler.

Also bravi, azzurri! Auf euch jetzt ein Schluck Grappa.

Mehr zu den teilnehmenden Nationen:
Frankreich
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