Aber schön war es doch
Die Kunst des Zeit-Verplemperns
Frankreich-Portugal war wie ein Großteil der Spiele dieser WM "von der Taktik" geprägt. Das ist einer der schönen Euphemismen des Fußballs, der nichts anderes besagt, als dass man wieder zwei Stunden seines Lebens für ein langweiliges Spiel verplempert hat.
8. April 2017, 21:58
Das einzige was von diesem Halbfinale Frankreich-Portugal in die Annalen eingehen wird, ist der Elfmeter von Zinedine Zidane. "Zizou" ist ja nicht nur ein begnadeter Fußballer, sondern auch ein echter Schwitzer vor dem Herrn.
Zidane könnte, so sinngemäß der Vorschlag eines Freundes, mit seiner körpereigenen Schweißproduktion die gesamten Wasserprobleme des Nahen Ostens lösen. Wiederaufbereitungsanlagen natürlich vorausgesetzt.
Auch beim entscheidenden Penalty, zögerte Zidane nicht nur keine Sekunde lang, sondern verlor auch noch rund einen halben Liter. Der war aber gut investiert. In der zweiten Halbzeit hielt er sich dann wie sein Team nobel zurück und bog die Zeit herunter, dass es eine echte Freude war.
Phänomenologie der Zeit
Neben vielen anderen pädagogischen Vorzügen besitzt der Sport ja auch noch die Fähigkeit, jungen Menschen das Phänomen der Zeit näher zu bringen: Man kann auf Zeit spielen, nicht nur Elfmeter, sondern auch Zeit schinden, die Zeit läuft einem davon usw.
In größeren Perioden gedacht: Alle vier Jahre finden Fußball-Weltmeisterschaften statt, dazwischen auch Europameisterschaften. Es soll sogar Kulturen gegeben haben, die ihre gesamte Zeitrechnung auf der Abhaltung sportlicher Wettkämpfe gegründet haben.
Die WM in Deutschland zeigt sich insgesamt wenig innovativ. Sechs Ex-Weltmeister unter den letzten Acht des Turniers zeugen nicht gerade von einer strukturellen Öffnung der Machtverhältnisse im Weltfußball. Neue Spieler, die man sich merken sollte, wurden auch nicht entdeckt (außer vielleicht Frank Ribery, der auch gestern wieder über die linke Seite wieselflinkte). Und auch zur Phänomenologie der Zeit wurde nichts wirklich Neues beigetragen.
Grüne Wiese gegen dunkelrote Flecken
Die Ausnahme stellt das Verhalten der Franzosen gestern in der Halbzeitpause dar. Als alle elf Portugiesen schon am Feld standen um weiterzuspielen, waren die Franzosen noch immer in ihren Kabinen. Das gab in der Kamera-Totalen ein schönes Bild: Auf der einen Seite die spielwilligen dunkelroten Flecken auf grünem Grund, auf der anderen Seite Wiese pur.
Die korrekten Kollegen von der ARD haben errechnet, dass sich die Franzosen ganze zweieinhalb Minuten länger Zeit ließen, als das die Regeln erlauben (15 Minuten Pause). Was aber wäre passiert, wenn der Schiedsrichter einfach angepfiffen hätte, wie es dann gleich zur Strafe vorgeschlagen wurde? Hätte die Portugiesen ihre numerische Überlegenheit (11:0) im Gegensatz zum England-Spiel zuvor diesmal in Tore ummünzen können?
Der neutrale Zuschauer glaubt Nein. Vermutlich hätte Pauleta auch in dieser Situation keinen verwertbaren Pass bekommen. Und Ronaldo hätte sich dank eines genialen vierfachen Dreifach-Übersteigers aller Voraussicht mit seinen Beinen derart verknotet, dass nur mehr der alte weise Mann Luis Figo (33 Jahre) ihn hätte befreien können.
Aber schön war es doch
Dem alten Schwitzer Zidane sei Dank sind die Franzosen dann ja aber doch noch aufs Spielfeld getrabt und konnten diese Ent-wicklungen verhindern. Trotz mannigfaltiger Bemühungen jenes Clowns, der sich seit Jahren in die Equipe Tricolore eingeschlichen hat und Fabien Barthez nennt, änderte sich am Resultat nichts mehr. Und das heißt in Wahrheit nichts anderes als: Wieder mal Zeit verplempert, aber schön war es doch.
Mehr zu den teilnehmenden Nationen in oe1.ORF.at
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