Die Mittagspausen werden kürzer

Ein Stündchen im Stundenhotel

Die Mittagspausen werden kürzer, die Sommer heißer. Der Weg ins nächste Stundenhotel ist kürzer, als man denkt. Um die Mittagszeit sind Stundenhotels gut gebucht. Für die Betreiber bedeutet das: viel Arbeit. Und ihnen ist nichts Menschliches fremd.

Vermieten Sie auch stundenweise?

Ein unscheinbares dreistöckiges Haus im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Schreibtisch und Telefon im Parterre, wo immer ein Portier sitzt. Draußen, über dem Portal, steht nichts anderes als "Hotel" - das Schild dürfte aus den 1950er Jahren stammen.

Doch so unscheinbar das "Hotel" ist, jeder im Bezirk weiß, dass hier die Zimmer, zumindest die im ersten Stock, stundenweise vermietet werden. Und genau aus diesem Grund hat die Umfunktionierung vor neun Jahren nicht geklappt, erzählt Frau B. Da hatten sie und ihr Mann das Gebäude gekauft, mit der hehren Absicht, eine "ordentliche" Frühstückspension daraus zu machen. Jeder hat versucht, es ihnen auszureden - bis hinauf zur Bezirksvorsteherin.

Minutenhotel

Der Portier hinter ihr grinst sich ein's; ins Mikrofon sagt er kein Wort. Von wegen: Stundenhotel! Ab und zu sei es nichts anderes als ein Minutenhotel.

Manche Zimmer, wundert er sich, kriegt er viermal in einer Stunde los, weil manche Pärchen, kaum haben sie bezahlt, flugs über die Stiegen eilen, hinauf in den ersten Stock, in eines der Zimmerchen mit den kirschroten Vorhängen stürzen und in geschlagenen zehn Minuten in einigermaßen intakter Montur wieder herunten stehen.

"Das Gängigste ist eine Stunde"

Na ja, meint die Chefin, die Mittagspausen werden kürzer, allerorts: "Das Gängigste ist eigentlich eine Stunde. Um halb elf beginnt's meistens. Und dann ist wieder ein bisschen eine Ruh', dann geht's wieder um viertel, halb eins weiter. Je nachdem, wie die Mittagspausen halt sind."

Am Nachmittag tut sich nicht so viel. "Weil's da wahrscheinlich keine Pausen in den Betrieben gibt."

Hoher Betten-Verschleiß

Ein Stundenhotel hinterlässt viel Arbeit. Frau B. hat hier Berge von Wäsche zu erledigen, Berge von Buchhaltung, und die Betten müssen alle zwei Jahre ausgetauscht werden.

Wie überhaupt viel verschlissen wird bei hoher Besucherfrequenz, was immer das für Leute sein mögen: "Es sind teilweise Büroleute, die die Mittagspause dazu nützen, nichts zu essen, sondern sich ein Zimmer zu nehmen. 30 Prozent werden Ehebrecher sein. Es gibt immer mehr Singles, es gibt fast keine aufrechten Ehen mehr", meint sie. "Wo ich absolut dagegen bin, ist der Baby-Strich, Kindesmisshandlungen - da bin ich die Erste, die eine Anzeige macht. Aber mit dem haben wir Gott sei Dank nichts zu tun." Von auffällig jungen Gesichtern lässt sie sich den Ausweis zeigen, betont Frau B.

Rührende Geschichten

Des Öfteren, erinnert sie sich, kam Maria, eine Frau aus dem Gewerbe. Und einmal kam Maria mit einem Pärchen. Er: fast neunzig; sie: unmerklich jünger. Maria verschwand mit ihm oben im Zimmer; die Ehefrau blieb herunten sitzen. Sie sei krank, erzählte sie der Wirtin, wolle aber nicht, dass ihr Mann auf irgendetwas verzichte.

Was die Wirtin am meisten rührte, als die drei wieder gingen: Bezahlt hat die Ehefrau. Egal, was Frau B. beobachtet - aus dem Augenwinkel, versteht sich! -, Romanzen, Abgebrühtheiten, sonst was: sie sei kein Typ fürs Stundenhotel: "Ich hab Verständnis dafür, aber ich selber bin das nicht. So geplant - ich brauch' da mehr dazu. Ein Seitensprung? Sicher nicht im Stundenhotel."