Unterschiede in der Hexenverfolgung
Wider das "Verbrechen der Zauberey"
Die Anklage "Schadenszauber und Teufelsbuhlschaft" war überall schnell bei der Hand, wenn es darum ging, Schuldige für Krankheiten oder Missernten zu finden. Warum weisen die Hexenverfolgungen in Österreich dennoch starke regionale Unterschiede auf?
8. April 2017, 21:58
Neue Regionalstudien zeigen, dass die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen in Europa auf kleinstem Raum gewaltige Unterschiede aufweisen - sowohl in der Intensität als auch in der Opferausrichtung.
Damit verschieben sich auch die Fragestellungen der Hexenforschung. Betonte man früher den Einfluss der christlichen Dämonenlehre und der kirchlichen Inquisition, so fragt man nun stärker nach den jeweiligen politischen Machtverhältnissen und den sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, die die Verfolgung beförderten.
Frühneuzeitliche Agrarkrise befördert Hexenprozesse
Einer der Hauptauslöser für die Hexenprozesswelle, die in den Jahren von 1560 bis 1630 ganz Europa erschütterte, war die gewaltige Klimaverschlechterung, die zu dieser Zeit die europäische Landwirtschaft in die Krise stürzte.
Je nach Anbaustrukturen fiel diese Agrarkrise in manchen Regionen stärker aus als in anderen. Mit dem Grad der Krise variierte auch die Intensität der Hexenverfolgungen, sagt Johannes Dillinger, Historiker an der Universität Trier: "Faustregel: Wo es einen starken Weinbau gibt, gibt es starke Hexenverfolgungen. Denn der Wein ist möglicherweise die empfindlichste Anbaufrucht im 16. und 17. Jahrhundert in Zentraleuropa."
Macht über Gericht entscheidet über Verfolgungsintensität
Ob und wie intensiv eine Region von Hexenprozessen betroffen war, hängt auch eng mit den jeweiligen Herrschaftsstrukturen zusammen. "Der Schlüssel ist die Macht über das Gericht", erklärt Johannes Dillinger. "Wo die Gerichte von einer zentralen Instanz überwacht werden, ist der Hexenprozess unwahrscheinlich. Wo das Gericht jedoch von den einfachen Leuten kontrolliert wird, ist die Verurteilung für Hexerei sehr wahrscheinlich."
Das zeigt auch das Beispiel des von Dillinger untersuchten Schwäbisch-Österreich. Die habsburgische Herrschaft war hier fern und schwach; Bürger und Bauern vor Ort beeinflussten die Gerichte und verteidigten das kommunale Recht auf Blutgerichtsbarkeit. Mit 550 Hexenprozessen war Schwäbisch-Österreich eine der verfolgungsintensivsten Gegenden im deutschen Sprachraum.
Ähnlich war die Situation in Vorarlberg, erklärt Manfred Tschaikner vom Vorarlberger Landesarchiv. Im Gegensatz zu den habsburgischen Ländern östlich des Arlbergs wurden die Gerichte hier mit Laienrichtern beschickt. Die Konsequenz: "Kamen im übrigen Österreich auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner 0,95 Hexenprozesse, so waren es in Vorarlberg 3,5."
Opfergruppen regional unterschiedlich
Regionale Unterschiede gibt es auch im Hinblick auf die Personengruppen, die Opfer von Hexenprozessen wurden. Wer jeweils verfolgt wurde, hängt wesentlich davon ab, wo die jeweilige Lebensbasis einer Region lag, meint Heide Dienst, Historikerin an der Universität Wien: "In Viehzuchtkulturen wird der Hexereiverdacht in erster Linie Hirten - und damit also Männer - treffen; in agrarischen Kulturen, wo Frauen für das tägliche Brot zuständig sind, wird es eher Frauen treffen." 80 Prozent der Opfer der Hexenverfolgungen in Zentraleuropa waren Frauen; in Vorarlberg waren es sogar 90 Prozent.
Wie viele Opfer die Hexenverfolgung in Österreich insgesamt gefordert hat, ist schwer rekonstruierbar. Von Vorarlberg weiß man von mehr als 100 Personen, die ums Leben kamen; in der Steiermark waren 820 Personen in Verfahren verwickelt. Vorsichtige Schätzungen für ganz Europa gehen von 60.000 Hinrichtungsopfern aus.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 26. September 2006, 19:05 Uhr.
Download-Tipp
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Buch-Tipps
Wolfgang Behringer, "Hexen: Glaube, Verfolgung, Vermarktung", Beck, ISBN 3406418821
Rosmarie Beider de-Haan, Rita Voltmer und Franz Irsigler (Hg.), "Hexenwahn. Ängste der Neuzeit", Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, Berlin, 3. Mai bis 6. August 2002, Minerva, ISBN 3932353617
Johannes Dillinger, "Böse Leute: Hexenverfolgungen in Schwäbisch-Österreich und Kurtrier im Vergleich", Spee, ISBN 3877601278
Link
historicum.net - Hexenforschung