Neue pragmatische Politik als Zeichen des Friedens

Wem die Stunde schlägt ...

Es ist nicht leicht, festzustellen, wer Verlierer oder Gewinner eines Krieges ist. Natürlich gibt es "klare" Verlierer: die Ermordeten, die Vertriebenen oder die Invaliden. Aber Gewinner gibt es nur, wenn man sich von der individuellen Ebene hinweg begibt.

"Jeder Menschentod ist mein Verlust, denn mich betrifft die Menschheit; und darum verlange ich nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; es gilt dir selbst.“ Aus diesem Satz von John Donne leitete einst Ernst Hemingway den Titel seines bekannten Romans ab.

Über Verlierer und Gewinner

Genau festzulegen, wer Verlierer oder Gewinner eines Krieges ist, ist nicht gerade leicht. Selbstverständlich gibt es "direkte, klare“ Verlierer: die Ermordeten, die Vertriebenen, die Invaliden. Aber Gewinner? Die gibt es nur, wenn man sich von der individuellen Ebene auf die staatliche Stufe begibt. Ein Beispiel dafür sind die Kriege im ehemaligen Jugoslawien.

Von ursprünglich sechs Republiken und den zwei autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina der ehemaligen Staatengemeinschaft der Föderativen Sozialistischen Republik Jugoslawien kann man heute bei Slowenien, Kroatien und dem erst jüngst unabhängig gewordenen Montenegro von Gewinnern sprechen. Gewinner deswegen, weil jetzt die Zukunft ihres Landes in ihren eigenen Händen liegt, was man für Bosnien-Herzegowina und der noch immer nominellen Provinz Kosovo sicher nicht sagen kann. Die Lage der Republik Mazedonien ist eng mit der Lösung des Kosovo-Problems verbunden.

Hundertjähriger Traum zerplatzt

Ein politischer und gesellschaftlicher Verlierer des Krieges ist Serbien. Nicht nur, dass die Ziele, die sich die Anführer des Krieges gesetzt haben, nicht in Erfüllung gegangen sind - nämlich der "hundertjährige Traum" der Verwirklichung "Großserbiens" -, auch die derzeitige Lage Serbiens innerhalb der internationalen Gemeinschaft ist nicht aussichtsreich: So gibt es viele ungelöste Probleme wie zum Beispiel die mangelnde Arbeit mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag.

Hinzu kommt ein neuer Schock, den Serbien zu verdauen hat: Das mit Serbien als gemeinsamer Staat eng verbündete Montenegro ist unabhängig geworden. Diese Trennung hat diesmal aber - glücklicherweise - ohne gewalttätige Aktionen stattgefunden.

Neuer politischer Pragmatismus in Sicht

Es ist schon merkwürdig, wie kurzsichtig die serbischen Politiker in den frühen 1990er Jahren den Zerfall Jugoslawiens mit ihren unrealistischen Projekten beschleunigt haben und mit welchen Folgen sich der gemeinsame Staat aufgelöst hat. Diese Hartnäckigkeit - nicht nur der serbischen nationalistisch gefärbten Führer - hat die ganze Region um Jahrzehnte zurückgeworfen und bis dato mit noch fühlbaren Spannungen belastet.

Dennoch hat es den Anschein, dass sich die politische Einstellung in Serbien auf die neuen Verhältnisse in der Region verbessert hat. Gleich nach Entstehung des neuen Staates - der Republik Serbien - tritt Präsident Boris Tadic seine erste offizielle Staatsreise an. Erste Station war Montenegro, die zweite Station Kroatien, das erstmals nach Ausbruch des Krieges 1991 von einem serbischen Präsidenten besucht wurde.

Kroatien und Serbien

Die Kenner dieser Region wissen, dass die serbisch-kroatischen Beziehungen die entscheidenden Fragen in Süd-Osteuropa sind, und "Optimisten" hoffen, dass dieser jetzige Besuch ein Meilenstein in der neuen Geschichte dieser beiden Länder sein könnte.

Mit welchen Problemen man sich allerdings künftig auseinandersetzen wird müssen, zeigt allein die Tatsache, wie der Besuch von Präsident Boris Tadic ablief. So hat man etwa auf öffentliche protokollarische Sitten, die bei so hochwertigen Besuchen üblich sind, verzichtet und sich - wie offiziell von beiden Seiten bekannt gegeben - entschlossen, nicht die serbische Hymne zu spielen. Auch serbische Fahnen wurden nicht aufgehängt. Die kroatischen Medien haben darüber auf sehr "spärliche“ Art und Weise berichtet.

Gemeinsame friedliche Ziele

Nach dem Staatsbesuch in Kroatien reiste der serbische Präsident Boris Tadic nach Bosnien-Herzegowina und Mazedonien weiter. Trotz einiger Zweifel an der Ehrlichkeit der neuen serbischen Politik, die von einigen Kommentatoren wie etwa Edina Sarac aus der bosnisch-herzegowinischen Zeitung "Avaz" geäußert worden sind, bleibt dennoch zu hoffen, dass sich die schrecklichen Ereignisse des vergangenen Krieges nicht wiederholen werden. Auch Boris Tadic hat in einem Interview für die "Oslobodjenje“ aus Sarajewo gesagt, dass die radikale Option Serbiens nie etwas Gutes gebracht hätte und dass die Serben sehr gut wissen würden, wie viel ihnen der radikale Irrtum hinsichtlich Slobodan Milosevic geschadet hätte.

Am Ende des Besuchs in Kroatien haben Boris Tadic und sein kroatischer Gastgeber, Präsident Stjepan Mesic, jedenfalls eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Der erste Punkt dieses Textes lautet: "Die Zeit der Kriege für die Republik Kroatien und die Republik Serbien, wie auch für Europa, ist endgültig vorbei. Frieden und Wohlfahrt sind unsere künftigen gemeinsamen Ziele, auf die wir unsere ganze Energie, unsere Kräfte und unsere Aktivitäten richten werden“.

Hoffentlich wird es diesmal glücken.