Ein Sieg muss her!
Fußballverrücktes Tunesien?
Der Topstar der tunesischen Musikszene Lotfi Bouchnak hat selber als rechter Außenverteidiger beim Spitzenclub Espérance de Tunis gespielt. Die tunesischen Schriftsteller aber bleiben beim Thema Fußball seltsamerweise stumm.
8. April 2017, 21:58
Lotfi Bochnak ist ein Star in Tunesiens Musikwelt
Lassen Sie sich nicht täuschen: Das Buch mit dem Titel "Der tunesische Torwart" stammt aus Norwegen und hat nur insofern mit Fußball zu tun, als Lars keine Lust mehr hat, irgendwelche Fußballbildchen einzukaufen, um endlich das fehlende Bild des tunesischen Torwarts einkleben zu können. Er hat andere Probleme: Einlagen gegen Plattfüsse, eine Zahnspange, einen nervenden Opa, Angst vor der neuen Schule, und eine Freundin. Lars Maehle hat den jungen Mann ins Leben gerufen und mit diesem Teenie-Buch schon viel Aufsehen erregt.
Kein Wort über Fußball
Fußball zählt auch nicht zu den Themen der vier alten Männer, die sich in Habib Selmis Roman "Bajjas Liebhaber" Tag für Tag unter einem riesigen uralten Olivenbaum treffen. Sie reden über den Koran, über ihre Jugendstreiche, über das Leben und den Tod, manchmal auch über Frauen. Das heißt, eigentlich sind Frauen auch kein Thema. Erst als ein beträchtlich jüngerer Fünfter im "Freiluft-Kaffeehaus" der vier Oldies auftaucht und eine Frau zum Gesprächsthema macht, seine Schwester nämlich, ändert sich kurzfristig das Interesse der Vier. Plötzlich spukt diese Frau mit all ihren Attributen in den Hirnen der Alten herum. Hat nun einer von ihnen diese Bajja unsittlich berührt oder nicht?
Kein Wort zum Thema Fußball, und das obwohl die Tunesier zu den stärksten Fußballnationen Afrikas zählen und in der Weltrangliste auf Platz 21 zu finden sind. 2004 hat Tunesien nicht nur den Afrika-Cup ausgerichtet, sondern diesen auch noch in einem dramatischen Endspiel gegen den fußballerischen Erzfeind Marokko gewonnen. Und die haben sie dann auch in der Qualifikation für die WM 2006 aus dem Rennen gefegt. Und morgen stehen sie vor der großen Herausforderung, dem Schicksal doch noch einen Kick Richtung Achtelfinale zu geben, beim Spiel gegen die Ukraine um 16 Uhr in Berlin.
Lotfi Bochnak bei der WM
Der Star der tunesischen Musikwelt Lotfi Bochnak drückt seiner Mannschaft natürlich die Daumen und würde sie am liebsten in einem Spiel gegen Brasilien gewinnen sehen, aber er ist doch auch Realist. "Ich habe die tunesische Mannschaft heute nicht wieder erkannt", seufzte er nach dem 2:2 gegen Saudi-Arabien. "Sie hat nicht ihr wahres Gesicht gezeigt." Er erinnert sich an die Weltmeisterschaften 1978, 1998 und 2002. "Es kann nicht sein, dass wir immer in der ersten Runde die Koffer packen müssen", sagt er. Schöne Aktionen und nette Dribblings reichen nicht, ein Sieg muss her, und wenn es sein muss mit Hilfe von ganz oben. "Irgendwie muss es gelingen, das Blatt zu wenden. Wir werden auch weiterhin für unser Team beten. Der Bessere möge gewinnen." Sportsgeist, bleib wachsam!
Und wenn die Buberln, pardon: die Männer, keinen Pokal nach Hause tragen, heißt es, die Hoffnung nicht zu verlieren: Tunesiens Frauen haben ebenfalls das Fußballspielen für sich entdeckt. Auf der Frauenfußballweltrangliste rangieren sie zwar noch auf Platz 83, aber das kann sich ja ändern!
Mehr zur Fußball-WM in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 22. Juni 2006, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Habib Selmi, "Bajjas Liebhaber", Lenos Verlag, ISBN 3857873744
Lars Maehle, "Der tunesische Torwart", Gerstenberg Verlag, ISBN 3806750580
Links
FIFA WM 2006 - Lotfi Bouchnak über das Spiel Tunesien-Saudi Arabien
Qantara.de - Interview mit Habib Selmi (Englisch)