Im Interpretationsvergleich
Haydns "Jahreszeiten": "Sommer"
Laut Kalender ist am 21. Juni Sommer-Beginn. Und der wird auch musikalisch in all seinen Facetten gewürdigt: und zwar mit dem "Sommer" aus Haydns Oratorium "Die Jahreszeiten", das 1801 in Wien seine erfolgreiche Uraufführung erlebte.
8. April 2017, 21:58
Im Vergleich: Hakan Hagegard - Werner Hollweg
Vor einigen Wochen stand der Frühling auf dem Programm. Im Kalender steht am 21. Juni Sommerbeginn - und um den geht es diesmal auch musikalisch in Verbindung mit Joseph Haydns Oratorium "Die Jahreszeiten". Bei diesem Oratorium hat Librettist Gottfried van Swieten viel mehr als nur Übersetzerarbeit geleistet. Er musste aus der umfangreichen Vorlage von James Thomsons Lehrgedicht eine grundlegende Auswahl treffen, kürzen und bearbeiten.
Nur gelegentlich übernahm van Swieten einzelne Verszeilen wörtlich. Nachdem der muntere Hirt im Siciliano-6/8-Takt-Rhythmus und im pastoralen F-Dur die Herden um sich versammelt hat, steigt die Sonne langsam, aber sicher empor. Die Lichtwirkung ist die gleiche, nur ihr Geschlecht ist im englischen anders: "Die Sonne ist nahe" heißt im Englischen: "He is near, he raises, he mounts, he comes, he glows, he shines".
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Drei Kommentatoren
In diesem Werk Haydns geht es um müde Sommerschwüle, darbende Tiere und Menschen sowie um ein gewaltiges Gewitter. Und wieder sind die drei Landleute Simon, Hanne und Lucas beredte Kommentatoren des von Gottfried van Swieten entworfenen Librettos zu Haydns großartigem Oratorium.
Ursprüngliche Instrumentation der Einleitung
Die Einleitung zum "Sommer" instrumentierte Haydn ursprünglich für eine Klarinette, ein Fagott, Bratschen, Celli und Kontrabässe, die Violinen sparte er aus. Später hat Haydn diese Instrumentation revidiert und alle Streicher diesen Abschnitt spielen lassen.
Das urschriftliche Aufführungsmaterial aus dem Jahr 1801 befindet sich übrigens in der Wiener Stadtbibliothek.
Die Kraft des Wortes - und ihre Wirkung
Im Oratorium haben Arien die Aufgabe, eine Situation zusammenzufassen, oder sie sind ganz allgemein als Ruhepunkte eingesetzt. In ihrer kürzeren Form nennt Haydn sie Kavatinen. Mitunter ist die Kraft des Wortes, und was ihre Deutung unbewusst mit dem Sänger anstellen kann, gefährlich.
Der Interpret singt von welken Blumen, von Dürre und Kraftlosigkeit und muss diese Schilderungen dem Publikum "rüberbringen". Aber es darf keinen Effekt auf seine Tonerzeugung haben. Ähnlich wie es dem Zuhörer wenig nützt, wenn der Interpret zum Weinen anfinge oder ihm danach zumute wäre, weil das Stück so traurig ist. Die Grundregel lautet immer: die Interpretin oder der Interpret müssen zwar emotional beteiligt sein, aber weinen dürfen sie nicht. Diese Manipulation beim Zuhörer zu erreichen - darin liegt die Kunst.
Vergleich Hakan Hagegard - Werner Hollweg
Der Unterschied in der Interpretation der gefährlichen Kavatine von Lukas über die Kraftlosigkeit von Mensch und Tier in den Einspielungen mit Hakan Hagegard mit dem Saint Paul Chamber Orchestra unter Joel Revzen und Werner Hollweg mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan:
Das am Boden Hingestrecktsein klingt unfreiwillig glaubhafter, weil stimmlich nicht so souverän, in der Aufnahme mit Werner Hollweg.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 21. Juni 2006, 10:05 Uhr
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