Marianne Lang über Haferflocken aus dem Web
Online-Müsli
Ein Werbespot einer bekannten Müslifirma ist der Auslöser dafür, dass die drei Bayern Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock mymuesli.com gründen. Die Überzeugung: Wir können es besser. Seit Ende April kann man sich davon überzeugen.
8. April 2017, 21:58
Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock haben mymuesli.com gegründet. Die zwei Betriebswirte und der Jurist ziehen Ernährungsbücher und ihre Studienunterlagen zum Thema Unternehmensgründung zu Rate, das Passauer Gesundheitsamt hilft bei der Auswahl von geeigneten Produktionsräumen und ein Programmierer bei den ersten Gehversuchen in der virtuellen Welt.
Ende April 2007 geht die etwas andere Müslifirma online und die drei Gründer seither nicht mehr viel weiter als vom Bett in die Müsli-Manufaktur und wieder zurück. Bereits zwei Wochen nach dem Start sind die Müsli-Macher mithilfe von euphorischen Bloggern ausverkauft.
"Mit diesem enormen Erfolg gleich zu Beginn hätten wir nie gerechnet", erzählt Hubertus Bessau, "denn eine Blitzumfrage unter ein paar hundert Bekannten hatte ursprünglich ergeben, dass niemand Müsli aus dem Internet bestellen möchte." Warum wollen es nun aber Sechsjährige Schülerinnen ebenso wie 82-jährige Großmütter, wie eine nähere Kundenbetrachtung ergibt?
Weil ein Großteil der Zutaten biologisch, ohne zugesetzte Aroma- oder Farbstoffe und zuckerfrei ist? Weil mymuesli.com-Müslis extrem teuer sind, und bekanntlich ein hoher Preis besondere Qualität suggeriert? Oder weil sie verhindern, dass man sich frühmorgens wie ein Huhn in der Massentierhaltung fühlt - verzweifelt bemüht unliebsame Rosinen und Nüsse aus dem Körnermahl rauszupicken?
Wahrscheinlich sind keine dieser Erklärungsmöglichkeiten per se richtig oder falsch. Die einzigartigen Mischungen und die Tatsache, dass Individualität seit langem im Trend liegt, macht wohl den Erfolg der Do-it-yourself-Müslis aus.
Man stelle sich also eine vierköpfige Familie vor - die Mutter mit Reis- und Sojaflocken in ihrer Frühstücksschale, der Vater Haferflocken mit vier verschiedenen Nüssen und die Kinder viel Schokolade und Gummibärchen zwischen den Zähnen. Keine Kompromisse mehr am Frühstückstisch, jeder ist zufrieden. Und Langeweile kann dabei auch keine aufkommen, denn aus 70 Zutaten lassen sich per Mausklick 566 Billiarden verschiedene Müslivariationen zusammenstellen.
Fragt sich nur wohin das führt - zur durch-individualisierten Web 2.0-Generation, in der Morgenmuffel vom Aussterben bedroht sind? Lebenspartner und Arbeitskollegen dieser Spezies werden es den Passauer Müsli-Boten sicherlich danken. Öko-Fritzen ebenso, denn bei mymuesli.com werden ausschließlich Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau oder aus biologischem Wildwuchs verwendet.
Nicht weil Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock so umweltbewusste Erdenbürger sind, sondern weil ihre Geschmacksnerven bei der Entscheidung den Ton angaben: "Wir hatten nicht bewusst vor, auf biologische Lebensmittel zu setzen, aber nach ein paar Qualitätstests war klar: Bio schmeckt einfach besser."
Versandt werden die Müsli-Variationen in stylishen 575g-Dosen, die man sich auf Wunsch sogar mit persönlicher Grußbotschaft bedrucken lassen kann. Der Versand bzw. seine Kosten sind derzeit noch das Sorgenkind der mymuesli.com-Mannschaft. Denn deutschlandweit zahlt man ohne die spezielle Drucknote dafür knappe vier Euro, österreichweit knappe fünf, was in etwa so viel ausmacht wie ein halbes Kilo Müsli mit Ananasstücken und Haselnusskernen.
"Qualität hat", meint Hubertus Bessau, "nun mal seinen Preis. Doch wir arbeiten schon intensiv an einer Lösung für die hohen Versandkosten." Bis dahin, rät der Müsli-Macher, könne man sich ja mit Freunden zusammentun und Sammelbestellungen aufgeben. In Passau gibt es außerdem einen Hotspot, ein Geschäft, in dem die Bestellungen versandkostenfrei abgeholt werden können, und in Linz soll in wenigen Wochen Ähnliches möglich sein.
Wird die Bestellung in Zukunft an den österreichischen mymuesli.com-Hotspot geschickt - ein Linzer Bioladen soll als solcher fungieren - kostet der Versand nur mehr einen Euro. Individuelles Müsli mit Kompromissmöglichkeiten also, damit das Geldbörsel nicht zu laut jammert und wir nicht zu unkommunikativen Frühstücksegoisten mutieren.
Marianne Lang ist Redakteurin und Moderatorin bei FM4 und bekennende Müsli-Esserin
Link
mymuesli.com