Philosophisches zum Seitensprung

Wenn Eros uns den Kopf verdreht

Schon Aristoteles fand: "Post coitum omne animal triste est". Diese Weisheit und viele mehr haben Harald Koisser und Eugen Maria Schulak gesammelt und mit ihren eigenen Betrachtungen zu einem philosophischen Kompendium verwoben.

In den europäischen Gesellschaften schnellten die Scheidungszahlen in den letzten Jahrzehnten in die Höhe. Gleichzeitig ergeben wissenschaftliche Studien, dass sich junge Leute nach einer stabilen Paarbeziehung als Lebensideal sehnen. Die Diskrepanz zwischen einer Realität von kürzeren Beziehungen und dem Wunsch nach lebenslanger Zweier-Harmonie erzeugt einen spürbaren Leidensdruck.

Trieb und Leidenschaft

In ihrem Beziehungs-Handbuch haben Eugen Maria Schulak und Harald Koisser aufgeschrieben, was Liebende - wenn ihnen der Eros zu Kopfe steigt - sagen und denken. Höchst aktuelle Beziehungsthemen haben die Autoren im Lichte von Jahrhunderte und bisweilen Jahrtausende alten philosophischen Weisheiten quergebürstet. Denn: Was den Eros betrifft, sind wir auf dem gleichen Niveau wie unsere antiken Vorfahren. "Der Trieb ist eine biologische Grundkonstante", meint Eugen Maria Schulak. "Das Animalische in uns, mit dem müssen wir umgehen."

Zum Trieb gesellt sich beim Menschen die Leidenschaft. In der Leidenschaft fokussiert sich der allgemeine Geschlechtstrieb auf ein spezielles Subjekt - oder auch Objekt - und die Leidenschaft wird zum Motor vieler Handlungen. Von Vernunft kann dabei kaum die Rede sein.

Anders ließen sich wohl Ausgeburten einer Sammelleidenschaft, zum Beispiel, nicht erklären. Schulak und Koisser führen hierfür das Beispiel des "Eierlauf-Schlumpfes" an: Für einen Plastik-Schlumpf mit Löffel und rotem Ei - ein Überbleibsel aus Kinder-Überraschungseiern der 1980er Jahre - berappen Sammler heutzutage bis zu 350 Euro. Den Beginn aller Leidenschaften markiert jedoch die Sexualität.

Die Kunst der Paarbeziehung

Hier tritt die Kunst ins Spiel der Lebensführung: die Kunst, sich in einer Paarbeziehung so zu verhalten, dass Leidenschaft dauerhaft möglich ist. Eugen Maria Schulak formuliert diesen Anspruch an moderne Beziehungen, und zeigt gleichzeitig auf, dass auch diese Vorstellung Ergebnis eines historischen Wandels ist.

Heute ist es verpönt, eine Zweckehe einzugehen. Der Philosoph jedoch klärt auf: Man umgibt sich nicht mit Menschen, von denen man nichts hat. Es wäre wohl ganz im Gegenteil eine eigenartige Vorstellung, dass etwas nur dann moralisch akzeptiert wird, wenn keine klaren Beweggründe dahinter stehen. Die Beweggründe einer Ehe sind zumindest, dass man von dem anderen körperliche Nähe oder erbauliche Gespräche will.

Gedanken und Denkanstöße

Der im Untertitel des Eros-Buches angesprochene Seitensprung steht beileibe nicht im Mittelpunkt des Buches, vielmehr schwingt er mit in den Betrachtungen über Leidenschaft, Liebe, Ehe und Glück. Das Buch zeigt Gedanken auf und gibt Denkanstöße. Auch wenn die Autoren ihre persönlichen Positionen nicht verbergen, so drängen sie ihre Sichtweise jedoch nie den Lesern auf. Der Diskurs bleibt offen.

Aus einem über ein Jahr dauernden eingehenden Diskurs der beiden Autoren ist auch das Buch entstanden. In nur zwei Monaten intensiver - hauptsächlich nächtlicher - Arbeit wurde es geschrieben. Ein Faktum, das dem Buch gut getan hat. Die Ausführungen von Harald Koisser und Eugen Maria Schulak lesen sich angenehm flott und zügig. Die Lektüre des Beziehungs-Kompendiums zeigt, dass die Philosophie durchaus nicht weltfremd sein muss. Für das Nachdenken über Liebes-Beziehungen und Triebe birgt sie vielmehr sehr brauchbare Weisheiten. Eine gute Anregung, Lebens-Tipps bei Wittgenstein statt in "Woman" nachzublättern und Benjamins statt "Brigittes" Ratschlägen zu folgen.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Harald Koisser, Eugen Maria Schulak, "Wenn Eros uns den Kopf verdreht. Philosophisches zum Seitensprung", Orac Verlag, ISBN 3701504806