Studie dokumentiert: Profit aus Unrecht

Das Dorotheum im Nationalsozialismus

Lange hat es gedauert, ehe sich das Wiener Dorotheum seiner NS-Vergangenheit gestellt hat. In seinem im Oldenburg-Verlag erschienenen Bericht "Zwischen Staat und Wirtschaft“ wird die Zeit zwischen 1938 und 1945 und die frühe Nachkriegszeit aufgearbeitet.

Dorit Bader-Whiteman, eine der vielen Klägerinnen

Das 1707 gegründete Wiener Dorotheum entwickelte sich während der NS-Zeit zu einer zentralen Verwertungsstelle für entzogene mobile Vermögenswerte in der so genannten Ostmark. Es spielte auch im Kunsthandel des "Dritten Reichs“ eine bedeutende Rolle. In einem im Ouldenburg-Verlag erschienenen Bericht hat das Wiener Pfand- und Auktionshaus nun diese Rolle schriftlich dokumentiert.

Verzögerte Aufarbeitung

Eigentlich hätte bereits der Schlussbericht der österreichischen Historiker-Kommission ein Kapitel über die Rolle des Dorotheums während der NS-Zeit enthalten sollen. Doch ein erster Bericht wurde von der Kommission als unzureichend empfunden. Die Recherchen hätten sich als schwieriger erwiesen als zunächst angenommen, was einen Gutteil der Verzögerung ausgemacht habe, sagt der Historiker und Co-Autor Alexander Schröck.

Erst im März 2006 konnte die Studie in Buchform vorgelegt werden. Spekulationen, wonach das Haus den Ausgang der so genannten Whiteman-Klage abgewartet habe, weist die Geschäftsführung des Dorotheums zurück. Die Sammelklage wurde Ende 2005 zurückgezogen. Danach begann auch die Republik Österreich mit den Zahlungen an NS-Opfer aus dem Allgemeinen Entschädigungsfonds. In diesen hat auch die ÖIAG 2001 bei der Privatisierung des zuvor staatlichen Dorotheums 32 Millionen US-Dollar eingezahlt - ein "symbolischer Akt", wie das Dorotheum selbst meint.

Profit durch Kollaboration mit NS-Regime

Wirtschaftlich habe das Dorotheum zweifelsohne vom NS-Regime profitiert, meint Co-Autorin Sonja Niederacher. Es habe sich aktiv darum bemüht, Aufträge von öffentlichen Stellen zu bekommen. Die Größe des Unternehmens, dessen vorhandene Infrastruktur sowie die schon vor 1938 guten Beziehungen zu Behörden hätten dazu die idealen Rahmenbedingungen geboten, so Niederacher.

Das Dorotheum arbeitete intensiv mit den NS-Behörden (Gestapo, Zoll- und Finanzbehörden, Gemeinde Wien) zusammen. Diese brachten Raubgut aus jüdischem Besitz - von der Küchenkredenz bis zum Kunstwerk - im Dorotheum zur Versteigerung ein. Die Versteigerungserlöse wurden an die Behörden bzw. das Deutsche Reich abgeführt. Die Höhe des Profits für das Dorotheum lässt sich nach einhelliger Meinung von HistorikerInnen nicht beziffern, dürfte jedoch beträchtlich gewesen sein.

Politisches Screening des Personals

Möglich wurde dieses Vorgehen nicht zuletzt dadurch, dass sofort nach dem "Anschluss“ die Geschäftsführung des Dorotheums ausgetauscht und durch regimetreue Nazis ersetzt wurde.

Geschäftsführender Direktor wurde der hochrangige Nazi und ehemalige Illegale, Anton Jennewein. Alle beamteten Bediensteten wurden auf den Führer vereidigt und einem politischen Screening unterzogen. 29 jüdische MitarbeiterInnen sowie missliebige Personen wurden entlassen. Widerstand gab es nicht.

Prolongierter Raub nach 1945

"Das Dorotheum hielt sich auch im Rahmen der Rückstellungsgesetze strikt an die gesetzlichen Vorgaben und an die Restitutionspraxis der Republik und wurde darüber hinaus nicht aktiv, den Opfern der Verfolgung zu helfen“, heißt es in der Studie. Es sei damit ein Spiegelbild der gesamtstaatlichen Entwicklung gewesen.

HistorikerInnen berichten etwa von Fällen, wo Opfer ihnen geraubte Kunstschätze entdeckten und baten, sie von Auktionen zurückzuziehen, mangels an Beweisen jedoch nicht zu ihrem Recht kamen.

Und heute?

Kein Auktionshaus könne ausschließen, dass heute noch entzogene Kunstwerke auftauchten, so Dorotheums-Geschäftsführer Marin Böhm. Deshalb engagiere sich das Dorotheum als einziges Haus im deutschsprachigen Raum für die Überprüfung der angebotenen Objekte. Es habe auch freiwillig eine Provenienzforscherin beschäftigt.

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 30. Mai 2006, 18:25 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Stefan August Lütgenau, Alexander Schröck, Sonja Niederacher, "Zwischen Staat und Wirtschaft: das Dorotheum im Nationalsozialismus", Oldenbourg Wien, München 2006, ISBN 3702905421

Links
Dorotheum - Historiker-Bericht
Oldenbourg-Verlag - Buchinfos