Religiöse Aspekte im Zeitalter der Vernetzung

Mystik und Globalisierung

Eines der Ergebnisse der Globalisierung ist ein bisher noch nie da gewesener Austausch zwischen den Abraham-Religionen. Deren Begegnung mit ihrer Mystik ist eine Perspektive, die zukunftsweisend für einen Frieden zwischen den Religionen sein kann.

Der Salzburger Gottfried Bachl über Mystik heute

Die Religionen wandern, weil die Menschen wandern. Das war schon immer so, aber in den letzten Jahrzehnten hat sich der globale Austausch von Ideen - und natürlich auch von Waren - ungeheuer beschleunigt.

Religionen sind heute beispielsweise nicht mehr an bestimmte Regionen gebunden. Überall auf der Welt gibt es Taoisten, Muslime oder auch Anhänger von Naturreligionen. Und gerade die Megastädte der westlichen Industriestaaten sind Sammelbecken von verschiedensten Religionen.

Die New-Age-Bewegung

Dass aus den verschiedenen Kulturen und Religionen auch Neues entstehen kann, bemerkt man heute vielleicht am Deutlichsten an der Musik. Ein Beispiel hiefür sind etwa die Werke des Deutschen Prem Joshua, in denen sich europäische und indische Musik verbinden.

Man merkt es aber auch in der Mystik - dort, wo es um religiöse Erfahrungen geht. Die Mystik der monotheistischen Religionen hat - wie schon seit langem erkannt - bei allen Unterschieden ähnliche Strukturen, vor allem wenn es um ihr letztes Ziel geht - die Vereinigung mit Gott.

Die so genannte New-Age-Bewegung hat von diesen Traditionen viel gelernt, hat aber eine eigenständige Deutung des Lebens und Sterbens der Menschen - sei es jetzt die islamische Mystik der Sufis oder etwa die lateinamerikanische Befreiungstheologie. Die Begegnung der Mystik der Abraham-Traditionen ist aber eine Perspektive, die zukunftsweisend für einen Frieden zwischen den Religionen sein kann.

Globalisierte Spiritualität

Schon im 19. Jahrhundert haben sich Schopenhauer und andere für die indischen Religionen interessiert, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es die ersten Konversionen weißer, europäischer und nordamerikanischer Christen zu nicht-christlichen Religionen. Eine der berühmtesten Konvertitinnen war Helena Petrowna Blavatsky, die Begründerin der Theosophischen Gesellschaft.

Die Theosophische Gesellschaft ist eine der wichtigsten Achsen der Kommunikation zwischen Asien und dem Westen. Die Theosophen interessieren sich für die Religionen und Kulturen Asiens, und sie setzen sich gegen die europäische Kolonialherrschaft ein. Auch in der indischen Unabhängigkeitsbewegung haben sie eine wichtige Rolle gespielt. Mit anderen Worten: Die Theosophische Gesellschaft verkörpert eine Form von globalisierter Spiritualität. Ihre Forderungen nach einer Versöhnung von Naturwissenschaft und Religion und einer universalen Bruderschaft der Menschheit sind bis heute nicht überholt.

Der Sufi-Orden und die Karäer

Die Idee der Einheit Gottes, der eine universale Menschheitsreligion entspricht, nimmt der Internationale Sufi-Orden auf, den der indische Muslim, Sufi-Mystiker und Musiker Hazrat Inayat Khan gegründet hat. Er kann sich dabei auf die Tradition der Chishti-Sufis berufen - eine Richtung der islamischen Mystik, die um das 11. Jahrhundert in Indien entstand.

Konträr zum Universalismus stehen die Karäer. Deren kleine jüdische messianische Tradition, die im Gebiet des Schwarzen Meeres vor ungefähr 1.000 Jahren entstand, findet heute von evangelikalen Christen in den USA Zuspruch, die zu dieser jüdischen Tradition konvertieren. Hier geht es vor allem um Aus- und Abgrenzung.

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Hör-Tipp
Imago, Donnerstag, 25. Mai 2006, 0:08 Uhr

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Link
Wikipedia - Abrahamitische Religionen