Der TV-Kabarettist mit dem Bühnenbild im Koffer

Dieter Hildebrandt ist "ausgebucht"

"Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hieße es ja Buchung", sagt Dieter Hildebrandt, nicht frei von Ironie. Der noch vor ein, zwei Jahren als TV-Kabarettist bekannte Deutsche ist aber auch als Kleinkünstler bei seinen Lesetouren "ausgebucht".

Ausschnitt aus aktuellem Programm

Man kennt ihn als einen Meister der Wortkaskaden und als politisch höchst streitbaren Zeitgenossen: Dieter Hildebrandt, den Erfinder der ARD-Satiresendung "Der Scheibenwischer“ und langjährigen Partner von Werner Schneyder. Mit ihm schrieb er mehrere preisgekrönte Kabarettprogramme und tourte damit von 1974 bis 1982 durch Deutschland und Österreich.

Vom Platzanweiser zum Kabarettisten

Zur Finanzierung seines Studiums arbeitete der aus Oberschlesien stammende Dieter Hildebrandt schon als Platzanweiser im Kabarett "Die kleine Freiheit“. Dabei entdeckte er seine Liebe zum Theater und stellte sich 1953 der Schauspieler-Genossenschaftsprüfung und - bestand sie. Mit Studienkollegen gründete er gleich darauf das Kabarett "Die Namenlosen“. 1956 war er dann gemeinsam mit Sammy Drechsel an der Gründung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft beteiligt.

Sowohl als Kabarettautor, als auch als Schauspieler gelang ihm bald der Durchbruch. 1964 spielte er die Rolle des Doktor Murkes in der Verfilmung der satirischen Erzählung "Dokktir Murkes gesammeltes Schweigen" von Heinrich Böll. Das Drehbuch zu diesem Film stammte übrigens ebenfalls von ihm.

Der Scheibenwischer

Seine TV-Karriere startete Dieter Hildebrandt mit "Notizen aus der Provinz". So hieß eine ZDF-Sendung, die er in den 1970er Jahren moderierte. 1980 folgte dann die Kabarettsendung der "Scheibenwischer", diesmal in der ARD. Mit dieser Sendung war er 23 Jahre lang erfolgreich.

Der letzte "Scheibenwischer" flimmerte am 2. Oktober 2003 über die Mattscheibe. Dann brach für Dieter Hildebrandt eine neue Ära an: die Zeit des Vorlesers; denn die Lust am Auftreten und mit dem Publikum in Kontakt zu kommen blieb dem Deutschen bis heute. Diese Lust stillt er nun im Zuge von ausgedehnten Lesereisen, die ihn durch ganz Deutschland, in die Schweiz und nach Österreich führen.

180 Lese-Abende in einem Jahr

Bevor Dieter Hildebrandt an seinen Lese-Abenden tatsächlich dazu kommt, aus seinem aktuellen Buch "Ausgebucht - Mit dem Bühnenbild im Koffer“ zu lesen, macht er einige Anmerkungen zum aktuellen Zeitgeschehen. Natürlich kommt er da vom Hundertsten ins Tausende, zieht über die deutsche Innenpolitik her und hält sich ganz bewusst kein Blatt vor dem Mund - egal um welches Thema es sich auch handelt. Auch die katholische Kirche muss sich seiner Meinung nach etwas Kritik gefallen lassen.

180 Lese-Auftritte in einem Jahr - das ist die Bilanz, die Dieter Hildebrandt ziehen kann. Aufgetreten ist er in großen Hallen, edlen Theatern, schmucklosen Sälen und gemütlichen Kleinkunstbühnen. Er lernte auf seinen Touren die Heimat und die Deutsche Bundesbahn so richtig kennen. Die Schrecken ungemütlicher Hotelzimmer hat er ebenso aufgeschrieben wie all die Erlebnisse auf seinen stundenlangen Zugsfahrten durch die deutsche Provinz. Tja: Wenn einer eine Reise macht, dann kann er viel erzählen.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 21. Mai 2006, 22:05 Uhr

Links
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Dieter Hildebrandt