Ein kleiner Überblick über Lovesongs

Love is like a Bottle of Gin

An die Geschichte der Popmusik ist nicht zu denken ohne das Liebeslied. Zu "All my life" der Band America weinten die Collegegirls der frühen 1970er Jahre. Heute sind es kritische Sängerinnen und Bands wie CatPower, die dem Genre Lovesong ein neue Seite geben.

Stephen Merrit über die Liebe

Die schönsten Liebesgedichte werden nicht aufgeschrieben, sie werden gelebt,

schreibt die Dichterin Christine Busta. Das gilt wohl auch für die Liebeslieder der Popgeschichte. Und doch brauchen wir sie so dringend.

Eine Nacht voll Liebe

Von einer Nacht voll Liebe singt Kurt Wagner, der Lead-Sänger der englischen Band Lamchop. Wer seine Geliebte ist, geht nicht daraus hervor: eine Prostituierte, eine Ehefrau, die zu ihrem Mann nach Hause geht? Vielleicht ist es auch die neue Realität einer Gesellschaft, in der nichts mehr so ist wie vor 50 Jahren. Denn auch die Liebe ist heute anders und damit auch die Lovesongs. Wagner setzt in diesem Liebeslied auch auf männliche Disziplin und stellt sich damit auf eine ungewisse Liebe ein.

Seine Band formierte sich vor 15 Jahren: zehn Männer und eine Frau. Und immer wieder holt sie der Lovesong ein - das Liebeslied: ein Genre, das die Minnesänger des 12. und 13. Jahrhunderts schon kannten und in der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts wieder aufblühte.

Gedichtete Balladen

Spezialistin für Liebesballaden ist die Kanadierin K. D. Lang. Ihre Lieder könnte Schubert heute geschrieben haben, denn sie verpackt leidenschaftliche Gedichte in ihre Songs, etwa jenes: "Liebe - ein Ding aus Macht und Angst - bleibt der Heiland und das Gift für alle".

In einer ihrer Balladen singt sie: "Ich war nie so lange außerhalb meines Körpers wie jetzt" und beschreibt damit auch die Abgeklärtheit der heutigen Popgeneration gegenüber dem Thema Liebe.

Die unberechenbare CatPower

Liebeslieder heute sind scheinbar emotionslos wie z. B. auch jene der amerikanischen Sängerin Chan Marshall alias CatPower. Bei ihr spielt sich Liebe nur mehr gespenstisch am Telefon, im Film oder sonstwo ab; nur nicht zu Hause. Dennoch ist ini ihren Balladen Nähe, Abhängigkeit und Sehnsucht zu verspüren.

Marshall alias Power gilt auch als unberechenbar. Schon des öfteren kam es vor, dass sie einfach ihre Konzerte abgebrochen hat. Genauso unberechenbar sind ihre Lieder.

Selbstliebe und nordische Gefühle

Einen anderen Zugang zur Liebe pflegte Hildegard Knef. Sie hat mit einem Liebeslied für eine ganze Generation von Frauen klargestellt: "Erst mal lieb ich mich selbst".

In den frühen 1990er Jahren veränderte sich die Wahrnehmung des Lovesongs u. a. auch durch eine junge Sängerin aus dem Norden Europas: Björk drehte - mehr als alle im Pop zuvor - die Gefühle nach außen, ohne sich dabei des Voyeurismus' zu bedienen. In einem Lied etwa malt die Isländerin sich das Gefühl von Liebe als einen Zustand von Abhängigkeit aus: "Ich vermisse dich, obwohl ich dich noch nicht einmal kenne. Ich werde dich so sehr brauchen", heißt einer ihrer Texte.

Ebenso aus dem Norden kommt die norwegische Sängerin Hanne Hukkelberg. Sie wiederum gibt sich weniger exzentrisch introvertiert wie Björk, wenn sie fragt: "Jetzt hab ich mich so hübsch gemacht für dich; sag mir: Ist es wahre Liebe?"

Kuriose Liebeslieder

Eines der ungewöhnlichsten Liebessongs hat Martha Wainwright geschrieben. Sie warnt ihren zukünftigen Liebhaber vor einer ausgebrannten Frau: "Ich werde dir nichts vorspielen. Du weißt ja nicht, was es heißt, im Bett zu liegen, zu weinen, und neben dir steht deine Mutter, in der Blüte ihrer Jahre. Ich bin ausgebrannt, du Arschloch. Nur dass du es weißt, wo immer du bist".

Ein kurioses Kabinett an Liebesliedern findet man auch in der drei CDs umfassenden Sammlung des New Yorkers Stephen Merrit alias Magnetic Field. Er hat vor zwei Jahren 69 Lovesongs veröffentlicht und dabei fast alle Instrumente selbst gespielt. Die Texte der Songs, die die unterschiedlichsten Aggregatzustände von Liebe enthalten, entstanden über Jahre - so etwa der Zustand des Herzens, das "herumrennt wie ein Huhn, dem man den Kopf abgeschlagen hat" oder Lieder, in denen er die amerikanische Lovesong-Industrie der 20er Jahre auf die Schaufel nimmt.

In seiner Sammlung treiben aber nicht nur die skurillsten Stilblüten in der Beschreibung von Liebe aus, sondern er beschreibt auch höchst ironisch, wie Punks ein Liebeslied singen würden oder Jazzfans, wenn er etwa in einem seiner Songs behauptet: "Liebe ist wie Jazz, der gleiche Song millionenfach in unterschiedlichen Wegen".

Mehr dazu in Ö1 Programm

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 14. Mai 2006, 17:10 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
"Info the City" im Rahmen der Wiener Festwochen, "Night of Lovesongs", Open-Air-Bühnen und Clubs am Gürtel zwischen Urban-Loritz-Platz und Kinderspitalgasse, 20. Mai 2006

Mehr zu den Wiener Festwochen in oe1.ORF.at

Link
Wiener Festwochen - Info the City