Ananasbruch, Salmiak-Lakritze und Rosa Pfeffer
Das Wiener Zuckerlgeschäft
Ein Wiener Zuckerlgeschäft lässt keine Naschkatzenwünsche offen. Vom ehemaligen Nahversorger zum Spezialitätenladen haben es aber nur wenige Confiserien geschafft. Eine zart-schmelzende Erinnerung an Gummischlangen, Blockmalz und Saure Drops.
8. April 2017, 21:58
Haben Sie was Besonderes für mich? Auf diese Frage antwortet Michael Kornherr mit einer Kostprobe und legt auf einen kleinen Teller drei seiner Schätze: Rosa Pfeffer aus Spanien, Kakaotrüffeln aus Frankreich - und fast schwarz - Rohschokolade in Kakao-Pulver gerollt.
Michael Kornherr ist Inhaber der Confiserie "Zum süßen Eck", einem der letzten Wiener Zuckerlgeschäfte, in dem scheinbar die Zeit stehen geblieben ist. Denn in Wahrheit haben Michael Kornherr und seine Frau, die tagtäglich im Geschäft vis-à-vis der Volksoper stehen, einiges getan um am Leben zu bleiben. Dem Trend zu hochwertiger Schokolade etwa hat man Rechnung getragen, hier bekommt man die führenden Marken aus aller Welt.
Spezialitäten-Eck'
Aus dem ehemaligen Nahversorger ist ein Spezialitätengeschäft geworden. Während man in Österreich vor dem 2. Weltkrieg noch an die 18.000 Confiserien und Zuckerlgeschäfte zählte, davon 1.000 allein in Wien, sind sie heute die raren Exoten im Stadtbild. Wie etwa die "Engel-Ecke", Ecke Lange Gasse / Alserstraße im neunten Bezirk in Wien. Ein Geschäft, nicht nur mit langer süßer Tradition, sondern auch einer bewegten Geschichte.
Johann Engel, der Namensgeber, besaß vor dem Krieg 18 Zuckergeschäfte in Wien, bis er 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA flüchten musste. Die "Engel-Ecke wurde arisiert, aber brachte dem neuen Besitzer kein Glück. Er fiel einem Mordanschlag seiner Frau zum Opfer, ein Fall, der in den fünfziger Jahren für Schlagzeilen sorgte.
Schließlich bekam Johann Engel seine Confiserie beim Alten AKH wieder zurück. Ein Standort mit guter Kundschaft - bis heute, schwärmt Gerald Kontriner, der jetzige Besitzer. Denn auch wenn im Alten AKH am Alsergrund keine Patienten mehr mit Krachmandeln, bestreuten Pastillen, oder Eibischteig als Mitbringsel besucht werden - das Geschäft ist einträglich.
Ein Teil der Kindheit
"Das Zuckergeschäft hat viel mit den Omas zu tun, sagt Gerlad Kontriner. Die Oma sorgt zumeist für die erste Begegnung mit den süßen Köstlichkeiten, die offen und einzeln feilgeboten werden. Schön aufgetürmt hinter Glasvitrinen können sie schon um weniger als einen Euro erstanden werden.
"Bei uns lernen die Volkschüler das Rechnen", sagt Michael Kornherr. Die Aufgabenstellung ist immer wieder eine Herausforderung: Was geht sich um einen Euro aus, wie viele Gummischlangen, Manner-Karamellen, Tautropfen oder Fitzers-Schlecker kann ich um diesen Betrag heute kaufen.
Geduldig wird gewartet bis die Kinder gerechnet haben, dann wird ins Sackerl eingepackt. Ein Rascheln, das jeder Wiener seit seiner Kindheit kennt.
Hör-Tipp
Moment, Freitag, 12. Mai 2006, 17:09 Uhr
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