Das Kostüm der Macht
Lust und Frust der Uniformierung
Autorität, Ordnungsmacht, Unterdrückung. Solche Assoziationen stellen sich reflexartig ein, wenn von Uniformierung die Rede ist. "Die Individualität ist bedroht", schrillen die Alarmglocken. Doch in den letzten Jahren vollzieht sich ein Wandel.
8. April 2017, 21:58
Uniformierungen bewegen sich hinaus aus den traditionellen Institutionen Militär, Staat und Kirche, hinein in Jugendkulturen, Medien, Sport und Wirtschaft. "Corporate fashion" boomt. Ihre Träger gehen locker damit um. Individualisierung und Uniformierung werden nicht als Widersprüche erlebt. Identität ist wandelbar geworden
Die wachsende Uniformierung ist ein Ergebnis der Globalisierung. Und die Uniform ist die Matrix der modernen Kleidung, so hat es Richard Martin vom Metropolitan Museum einmal formuliert.
Militärische Uniform und Massenkonfektion
Die heutige Massenkonfektion hat ihre Wurzeln in den militärischen Uniformen der letzten Jahrhunderte und im damals aufkommenden Trend der Einheitsgrößen. Fix und fertige Kleidung, in die ein Körper gezwängt wird, das macht eine Uniform aus. Und die kam erstmals im 17. Jahrhundert auf.
Frauen und Uniform
Mode ist weiblich. Uniformierung ist männlich. Das ist das traditionelle Bild, das noch immer weithin gültig ist. Männliche Kleidung ist stärker genormt als weibliche. Je höher der Status, desto augenscheinlicher wird das. Der Anzug ist eine moderne Uniform. Frauen fehlt Vergleichbares.
Deswegen tun sich in höheren Positionen für Frauen manchmal Bekleidungsprobleme auf, beobachtet die australische Sozialwissenschafterin Jennifer Craik.
Eine Möglichkeit ist, dass sich Frauen in ihrer Kleidung Männern angleichen und sozusagen geschlechtslos werden. Das hat die US-Außenministerin Condoleezza Rice eine Zeitlang getan. Jetzt geht sie einen anderen Weg, sie wird sexier, beobachtet Jennifer Craik. Eine, nach Craik, gefährliche Gratwanderung.
Politik muss sichtbar gemacht werden - im Kostüm der Macht. Und das wird ganz bewusst gewählt. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Zu wichtig sind die damit verbundenen Botschaften. Die Dortmunder Textilwissenschafterin Viola Hofmann hat das am Wandel von Angela Merkel verfolgt und der so genannten "Aschenputtelstrategie".
Corporate Fashion - verordnete Uniformität
Uniformierung ist ein Trend in verschiedensten Organisationen. Von Autofirmen bis zu Banken. Man spricht in dem Zusammenhang von Corporate Fashion. Sie soll für Zugehörigkeitsgefühle des Personals und für die Unverwechselbarkeit der Marke sorgen. Die Ursprünge liegen in Japan.
Einer wie alle - alle wie einer
Kleidung drückt Zugehörigkeit aus. Das wird auch in vielen freiwilligen Gruppierungen zum Ausdruck gebracht: ob Cheerleaders oder Jugendkulturen wie die dunklen Grufties oder die grellen Punks - man kleidet sich gern gleich. Der Begriff Uniform wird aber abgelehnt.
Uniformen für Firmenmarketing
Präsent sein. Sichtbar sein. Wo es nur geht. Um das knappe Gut der Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das ist das Ziel von Werbung. Sie will simple Botschaften fest einbrennen, zum Beispiel Firmenlogos. Dafür eignen sich Uniformen bestens, zum Beispiel solche im Sport.
Sportdressen haben den Zweck, Mannschaften voneinander unterscheidbar zu machen. Inzwischen dienen sie diesem Zweck aber nur mehr in zweiter Linie. An erster Stelle steht das Marketing von Firmen, zum Beispiel die drei Streifen von Adidas. Trikots sind nicht mehr Uniformen der Teams, sondern Uniformen der Firmen. Das zeigen aktuelle Beispiele wie Red Bull Salzburg.
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 10. Mai 2006, 21:01 Uhr
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