Ein Roboter macht Karriere
Abenteuer einer künstlichen Frau
Der 1924 geborene amerikanische Autor Thomas Berger hat bis dato mehr als 20 Romane geschrieben. Trotzdem ist er - sehr zu Unrecht - der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Das soll sich mit seinem neuen Roman nun ändern.
8. April 2017, 21:58
Da er keine echte Frau fand, mit der ihn mehr als nur eine flüchtige Beziehung verband, beschloss Ellery Pierce, Techniker einer Firma zur Herstellung animatronischer Geschöpfe für Filmstudios und Vergnügungsparks, sich selbst eine zu bauen.
Und was für eine Frau sich Ellery Pierce da baut! Wunderschön ist sein Geschöpf Phyllis - 52 Kilo, gut verteilt -, folgsam, stets bereit, dem Herren und Meister jeden Wunsch zu erfüllen. Phyllis mixt die besten Drinks, bereitet die exquisitesten Speisen zu und ist auch für andere Lustbarkeiten zu haben.
Roboter mit eigenem Willen
So schön könnte das Leben des Ellery Pierce sein, wäre ihm bei der Konstruktion der künstlichen Frau nicht ein kleiner Fehler unterlaufen. Leider hat der Ingenieur seine Kreatur mit einem freien Willen ausgestattet. Was zur Folge hat, dass Phyllis schon nach wenigen Seiten des Buches ihren Schöpfer ans Bett fesselt und ihm erklärt, von nun an auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Sie habe nämlich vor, in Hollywood ganz groß rauszukommen.
Bis dahin aber ist es ein langer, steiniger Weg. Und so muss sich Phyllis zu erst einmal durch die unterschiedlichsten Formen der Sexarbeit durchkämpfen: Tabledancing, Telefonsex, Internetsex, Pornoproduktionen. Alles probiert sie aus, aber nirgendwo hat sie so richtig Erfolg. Denn seltsamerweise besitzt sie für eine Maschine recht rigide Moralvorstellungen. Immer, wenn sie von einem ihrer Arbeitgeber aufgefordert wird, doch "ein wenig nett zu sein", brennen dem Roboter die Sicherungen durch.
Sie ging zu Larry, der das Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog und schlug ihn mit einem Kinnhaken k.o. Larry stöhnte und murmelte, ohne die Augen zu öffnen: "Brauchst einen Mann nicht gleich umzubringen, nur weil er es probiert." Diese Bemerkung schien für Phyllis keinen Sinn zu ergeben, doch galt dies für so vieles, was sie auf dem Gebiet der Moral kennen gelernt hatte. Ihrer Meinung nach sollten sich die Menschen lieber an das halten, was sie gut konnten: an die Technik.
Zu Höherem berufen
Schlussendlich gelingt Phyllis der Sprung nach Hollywood. Als Actionstar dreht sie alle gefährlichen Szenen selbst und das Publikum liebt ihre brutale Art. Aber wie es so ist im Leben: Kaum hat man ein Ziel erreicht, ist man schon wieder unzufrieden und strebt nach Höherem. Und welches ist das höchste Ziel für eine Amerikanerin? Ganz klar: Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden. Phyllis will nicht nur die erste Frau sein, die den Einzug ins Weiße Haus schafft, sondern auch der erste Roboter, dem dies gelingt.
Gelungene Satire
"Abenteuer einer künstlichen Frau" ist eine gelungene Satire auf den amerikanischen "Way of life". Thomas Berger nimmt sowohl die verlogene Sexualmoral seiner Heimat, als auch die Scheinwelt Hollywoods aufs Korn. Stars werden gemacht, um dann von denselben Journalisten, die sie in die Höhe jubelten, wieder fallen gelassen zu werden. Als einer von Phyllis Filmen floppt, stellt die Kritik süffisant fest, dass man der Schauspielerin ihr Alter und ihr Übergewicht ansehe. Was unmöglich ist, denn schließlich kann ein Roboter weder altern noch zunehmen. Auch an der Politik lässt Berger kein gutes Haar. Der Präsident ist ein Feigling, der Vizepräsident ein Dummkopf und die Berater im Weißen Haus haben von nichts eine Ahnung.
Thomas Bergers Buch ist mehr als ein gelungener Roman, es ist eine Fabel. Denn hinter der witzigen Fassade schimmert immer wieder die ganz und gar nicht lustige Moral der Geschichte durch. Und die lautet: Wer in unserer heutigen Gesellschaft Erfolg haben will, der muss mehr Roboter sein als Mensch.
"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.
Hör-Tipps
Kulturjournal, Freitag, 5. Mai 2006, 16:30 Uhr
Ex libris, Sonntag, 7. Mai 2006, 18:15 Uhr
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Buch-Tipp
Thomas Berger, "Abenteuer einer künstlichen Frau", aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernhard Robben, Tropen Verlag, ISBN 3932170830