Manager-Mythen
Krise der Führungspersönlichkeiten
Manager zu sein scheint heute für die Leitung eines Unternehmens nicht mehr auszureichen. Man muss "Leader" sein, also "Führer", suggerieren diverse Management-Medien. Vordenker wie Fredmund Malik halten diese Entwicklung für völlig falsch.
8. April 2017, 21:58
Manager-Medien oder die Karriere-Seiten von Zeitungen - sie alle stürzen sich derzeit auf präsentable Figuren, die sie als "Leader" zu adeln versuchen.
Der Organisations-Berater Winfried Bammer sieht dahinter mehr als nur die mediale Mystifizierung vorgeblicher Wirtschafts-Heroen. Er ortet ein steigendes gesellschaftliches Bedürfnis nach Leitfiguren - und das können einfach auch blendende Selbstvermarkter sein, die derzeit Hochkonjunktur haben. Durch die zunehmende Verunsicherung weiter Bevölkerungsbereiche komme es zu einer gefährlichen Suche nach Leitfiguren, die einen Weg weisen.
Bilder von Führungskräften
Tatsächlich geht es beim Thema "Leadership" um mehr als nur einen Begriff. Es geht um eine bestimmte Art, ein Unternehmen zu führen - hier der autoritäre vorgeblich allwissende Entscheider, da der Leiter und Möglichmacher, Charisma versus Handwerk, Führer gegen Ver-Führer, wie Fredmund Malik warnt.
In eine ähnliche Bresche schlagen oft gebrauchte Begriffe aus der Biologie: Da wird gern von Alpha-Tieren gesprochen. In einem Artikel auf den Karriere-Seiten des "Standard" heißt es etwa: "Alphas sind die natürlichen Führer".
Was zwar von Eitelkeits-Sorgen geplagten Führungskräften zu einem Aufschwung ihres Egos verhelfen mag ebenso wie der Geldbörse der Trainerin. Mit guter Betriebs-Führung haben derlei Bilder nichts zu tun, meint Fredmund Malik. Ein Betrieb sei kein Rudel, der von einem vorne heulenden Wolf geführt werden muss.
Falsche Ausbildung
Der amerikanische Management-Experte Henry Mintzberg sieht den Hauptgrund für die Attraktivität wirtschaftlicher Führer-Figuren in der falschen Ausbildung.
In seinem Buch "Manager statt MBAs" kritisiert er, dass in den Business-Schools, die weltweit zu "Masters of Business Administration" ausbilden, kaum das Handwerk zum Leiten eines Unternehmens geliefert werde.
Im 18. Jahrhundert drückten deutsche Geschäftsleute ihre Besorgnis darüber aus, dass die Studenten durch ihre Universitätsausbildung hochmütig und dadurch unfähig werden könnten, es in der Geschäftswelt zu etwas zu bringen. Heutzutage ermöglicht ihnen diese Hochmütigkeit, es in der Geschäftswelt zu etwas zu bringen. (Henry Mintzberg, "Manager statt MBAs")
"Söldnern in der Chefetage"
Eine Analyse von 15 amerikanischen Spitzenmanagern gibt Mintzberg Recht. Zwar sind alle sehr angesehen und berühmt, auch ständig präsent in der Öffentlichkeit. Aber über mehr als zehn Jahre betrachtet, war nur ein Drittel von ihnen erfolgreich. Der Rest hatte Unternehmen heruntergewirtschaftet.
Mintzberg spricht von "Söldnern in der Chefetage" - Heuschrecken, die über das Land ziehen und sich nirgendwo mehr niederlassen, Täuschungs-Künstler, die sich mit Hilfe der Massenmedien zu Heroen stilisieren.
Wir brauchen ausgeglichene, engagierte Menschen, die einen Management-Stil ausüben, den man als "verbindlich" bezeichnen kann. Menschen, denen mehr an der Stärkung ihrer Unternehmen als an höheren Aktienkursen liegt und die Hybris nicht mit Führungsstärke verwechseln. (Henry Mintzberg, "Manager statt MBAs")
Nicht Charisma sondern Vertrauen
Menschen, die Führerschaft bewiesen haben, sind häufig sehr unspektakulär, meint Malik. Manche wie Churchill tümpelten gar am Rande einer verkrachten Existenz dahin. Sie sind erst mit der Anforderung gewachsen. Sie haben sich meist nicht pseudo-charismatisch stilisiert, sondern für das Allgemeinwohl eingesetzt.
Führungsqualitäten hätten demnach nichts mit persönlichen Eigenschaften zu tun, nichts mit Allüren, sondern mit einer gewissen Art zu handeln. Nicht Charisma ist laut Malik Führungskapital, sondern Vertrauen. Der Einzelkämpfer an der Spitze, der einsame Entscheidungen treffe, sei passé.
Alte Hierarchien vergessen
Wirklich wirksam als Führungskräfte sind jene, die sich von Metaphern wie "Alpha-Tier" oder "Leader" befreien und die alten Hierarchien weitgehend vergessen.
Unternehmensberater Rudolf Attems ortet deshalb sehr viel Führungsarbeit in der zweiten und dritten Ebene von Unternehmen - Arbeit, die lebenswichtig sei, aber in der Präferenz der Öffentlichkeit für Medien-Ikonen nirgendwo aufscheine.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 3. Mai 2006, 19:05 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipps
Henry Mintzberg, "Manager statt MBAs. Eine kritische Analyse", Campus-Verlag, ISBN 3593376814
Fredmund Malik (Hsg.), "Faszination Bionik", März 2006, ISBN 3939314005
Fredmund Malik, "Gefährliche Management-Wörter", Frankfurter Allgemeine Buch, ISBN 3899810392
Links
Malik Management-Zentrum
Attems/Weber