Eine neues Wort erzeugt Aufmerksamkeit
Prekarität
Am 1. Mai wurde wie jedes Jahr der Tag der Arbeit gefeiert. Während am Rathausplatz in Wien die Granden von Gewerkschaft und Sozialdemokratie feierten, wurde am Wiener Yppenplatz im 16. Bezirk der "Mayday", der Tag der prekären Arbeit gefeiert.
8. April 2017, 21:58
Was sind atypische Beschäftigungsformen?
Prekarität ist eine neue Definition für ein schon längere Zeit existierendes soziales Problem: Es beschreibt die Situation von Tausenden atypisch Beschäftigten in Österreich, die nicht oder nur zum Teil in sozial- und arbeitsrechtlichen Maßnahmen inkludiert und dadurch von Verarmung betroffen sind.
Noch in den 1990er Jahren sprachen Soziologen von "working poor", von Menschen, die zwar arbeiten, aber dennoch zu wenig verdienen, um statistisch über der Armutsgrenze zu sein. Waren früher mehrheitlich Frauen von Prekarität betroffen, ist der Anteil der männlichen prekär Beschäftigten in den letzten zehn Jahren stark angestiegen.
Von atypisch zu prekär
Ein neues soziales Problem ist es also nicht, doch ein neues Wort, eine neue Definition kann Aufmerksamkeit für die Betroffenen schaffen und möglicherweise ein Umdenken in der Arbeits- und Sozialpolitik erwirken - notwendigerweise, denn politisch und gewerkschaftlich sind sie kaum vertreten.
Erst durch die Ausweitung von atypischen Beschäftigungsformen ist es möglich, dass Menschen trotz mehrerer Jobs nicht genug zum Überleben haben. Nach Schätzungen des Sozialwissenschafter Emmerich Talos leben in Österreich über eine Million Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist nahezu jeder dritte Arbeiter in Österreich.
Freie Dienstnehmer, Leiharbeiter, Tele- und Teilzeitarbeiter, geringfügig Beschäftigte oder die "Neuen Selbstständigen" - sie alle zählen zur Gruppe der atypisch Beschäftigten. Davon arbeiten einige Tausende in prekären Verhältnissen. Von der "Atypisierung" von Arbeitsverhältnissen profitieren vor allem Unternehmen, die durch so genanntes Outsourcing Lohnnebenkosten einsparen können.
Allein in der Prekarität
Die GPA, die Gewerkschaft der Privatangestellten, war die erste Gewerkschaft, die sich der Gruppe der prekär Beschäftigten öffnete - zumindest im Sinne der Arbeitnehmerberatung und -information.
Bei work@flex können sich Menschen in unsicheren und kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen zumindest über ihre Rechte informieren, denn sozialrechtlich sind die prekär Beschäftigten in Österreich gegenüber den Normalarbeitsverhältnissen schlechter gestellt. Sie müssen sich ganz im Sinne einer "Ich AG" selbst um Krankenversicherung und Versteuerung kümmern.
Darüber hinaus haben sie kein Anrecht auf Krankenstand oder Urlaubsgeld, und auch kein Recht auf Arbeitslosenunterstützung. Für die Betroffenen wird der Alltag nicht zuletzt dadurch mehrfach unsicher und dieser Druck erzeugt die verschiedenste Formen von Stress.
Hör-Tipp
Moment, Dienstag, 2. Mai 2006, 17:09 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Links
Euromayday 2006
Interessensgemeinschaften in der GPA - work@flex
ÖGB - Atypisch Beschäftigte