Eine kritische Bestandsaufnahme

Immuntherapie bei Krebs

Die Idee, das Immunsystem des Menschen so zu stimulieren, dass es bösartige Tumorzellen erkennt und killt, ist mehr als zwei Jahrzehnte alt. Die anfängliche Euphorie über diesen Therapieansatz ist längst einer realistischeren Einschätzung gewichen.

Die Euphorie, die man der Immuntherapie bei Krebs anfänglich entgegengebracht hat - nicht zuletzt weil man in Tierversuchen in geradezu spektakulärer Weise bösartige Geschwülste zum Verschwinden bringen konnte -, ist längst einer realistischeren Einschätzung des beim Menschen tatsächlich Mach- und Erreichbaren gewichen.

Es waren nicht nur die Erwartungen überzogen, sondern es zeigte sich darüber hinaus, dass die Ergebnisse aus Mausmodellen nicht eins zu eins auf den Menschen zu übertragen sind. Dafür weist das menschliche Immunsystem zu viele Kontrollmechanismen auf, die es in der Maus nicht gibt. Außerdem sind die in den Tiermodellen "künstlich" herbeigeführten, innerhalb kürzester Zeit wachsenden Tumoren nicht zu vergleichen mit den menschlichen Tumoren, die in den meisten Fällen über viele Monate oder gar Jahre wachsen, bis sie Symptome zeigen.

"Can we cure only mice?”

Diese Frage stellten sich Ende vergangener Woche Immunologen und Onkologen auf einem international besetzten Symposion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Und man "musste" zugeben, dass man bisher zwar keinen Menschen geheilt, nichtsdestoweniger aber die Überlebenszeit durch Immuntherapie verlängern kann.

Dies gelingt vor allem mit den so genannten monoklonalen Antikörpern, die durch ihr Andocken an den entsprechenden Rezeptoren ("Schlüssel-Schloss-Prinzip") entweder das Tumorwachstum unterbinden oder aber die gezielt gegen den Tumor gerichtete Immunantwort hoch regulieren.

Gentechnisch veränderte Hautkrebszellen

Zu den frühen Versuchen, das Immunsystem des Menschen zu stimulieren, um es gegen Tumore sozusagen scharf zu machen, zählen die an der Wiener Universitäts-Hautklinik durchgeführten Impfungen mit gentechnisch veränderten Hautkrebszellen.

Diese Zellen waren gentechnisch so verändert, dass sie einen Botenstoff freisetzten, der das Immunsystem anregte, die geimpften Krebszellen zu zerstören. Dabei wurden die Immunzellen trainiert, auch die übrigen im Körper vorhandenen Krebszellen zu killen.

Dentritische Zellen

Ein weiterer Ansatz, der anfangs ebenfalls mit großer Euphorie verfolgt wurde, war der Einsatz von dentritischen Zellen. Dentritische Zellen sind jene Zellen, die den T-Lymphozyten, einem Subtyp der weißen Blutkörperchen, das präsentieren, was diese aus dem Wege räumen sollen.

Dies hat man unter anderem beim Melanom, beim Bauchspeicheldrüsenkrebs oder auch beim Nierenzellkarzinom mit unterschiedlichem Erfolg gemacht. Man hat zwar in Einzelfällen eine Rückbildung des Tumors gesehen, konnte aber nie jene Subtypen von Tumoren herausfiltern, bei denen es funktioniert und bei denen es nicht funktioniert.

Da die Impfung mit dentritischen Zellen nicht nur sehr aufwendig sondern auch kostspielig ist, stieß man mit diesen Versuchen - etwa beim Bauchspeicheldrüsenkrebs - bald an Grenzen. Trotzdem wird man an der Wiener Universitätsklinik für Chirurgie demnächst eine weitere Studie mit dentritischen Zellen, diesmal mit Lungenkrebspatienten, beginnen.

Aktivierte T-Zellen

Neben den dentritischen Zellen werden zunehmend auch T-Zellen, die bei entsprechender Aktivierung Tumorzellen zerstören können, als Kandidaten einer Immuntherapie bei Krebs erkannt. Hier gibt es interessante Ansätze (unter anderem auch am IMBA, dem Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie), die darauf abzielen, ein die T-Zellen bremsendes Regulator-Protein auszuschalten, damit die T-Zellen "richtig scharf" auf die Tumorzellen werden und sie abtöten.

Auch hier sieht man im Mausmodell viel versprechende Erfolge. Aber Maus ist nicht Mensch und das Immunsystem der Maus funktioniert in einigem doch anders als das des Menschen. Daher bedürfe es, so der Tenor beim Symposium "Can we cure only mice?" besserer Tiermodelle, die eine Übersetzung von der Maus in den Menschen ermöglichen.

Zum Verwechseln ähnlich

Die besondere Herausforderung im Vorsatz, das Immunsystem gegen den Tumor zu aktivieren, liegt darin, dass sich Tumorzellen und deren Produkte nicht wesentlich von normalen Körperzellen unterscheiden, sodass das Immunsystem die Krebszellen nicht als fremd erkennt und somit auch nicht zerstört.

Manipuliert man aber Immunzellen so, bzw. setzt man Kontrollpunkte des Immun-Systems so außer Kraft, dass sie die Krebszellen erkennen, läuft man Gefahr, dass die Immunzellen auch normale Körperzellen als fremd erkennen und angreifen; dass es somit zu Autoimmunreaktionen kommt, wie man sie in klinischen Versuchen auch sieht.

Aber man lerne zunehmend, so Thomas Waldmann vom National Cancer Institute der USA, welche Kontrollpunkte des Immunsystems man besser unangetastet lasse. Daneben gelte es immer abzuwägen, meint Thomas Walmann, ob man für eine Lebensverlängerung nicht doch eine reversible - also wieder rückgängig machbare - Autoimmunreaktion in Kauf nehmen will.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 17. April 2007, 19:05 Uhr