Fucking Austrian Lese-Theater
Werner Brix und Gregor Seberg
Zwischen Einkaufszettel, Bedienungsanleitungen, Liebesbriefen, Chat-Rooms, Foren, Post-Its, Waschanleitungen und dem Buchtipp der Woche begeben sich die beiden Entertainer Werner Brix und Gregor Seberg auf die Spur von Sprache und Wahrhaftigkeit.
8. April 2017, 21:58
Aus dem Logbuch der Enterprise
Zwei Akteure, ein Kabarettist und ein Schauspieler, sitzen auf einer Bühne und surfen im Internet. Der Zufall wird zum Programmgestalter. Auf einer der vielen Internet-Seiten finden sie diese zu Herzen gehenden Verse: Du bist kein Traum, denn welcher Traum kann Herzen klauen? Oder: Nachts so nah und tags so fern, seit ich dich sah schlaf ich gern. Oder: Wenn ich könnte, würde ich dir mein Herz direkt an den Kopf knallen - vielleicht würde dir dann ein Licht aufgehen.
Entfesselt
"Lese-Theater" nennen Werner Brix und Gregor Seberg ihr gemeinsames Kleinkunstprojekt, mit dem sie das etwas verstaubte Genre der Dichterlesung neu beleben wollen.
Wie sie das konkret anstellen? Während der hehre Mime Seberg am Beginn des Leseabends mit Inbrunst aus einem Werk des Romantikers Francois René de Chateaubriand rezitiert, wird der vom Text ganz und gar nicht gefesselte Kleinkünstler Brix im wahrsten Sinne des Wortes in Fesseln gelegt. Ein szenischer Einfall, den Brix auch in seinem aktuellen Solo "Unter Zwang" verwendet, einem von der Kritik bejubelten Psychodrama mit heiteren Untertönen. Im Lese-Theater indes inszenieren Brix und Seberg einen amüsanten Wettstreit um die Gunst des Publikums. Wer trägt die besseren Texte vor? Seberg versucht es mit Lyrik von Pablo Neruda und Erich Fried.
F.A.L.T
Literatur ist laut Duden der "Gesamtbestand aller Schriftwerke eines Volkes". Gemäß dieser Definition durchstreifen Brix und Seberg sämtliche Literaturgattungen, sind nicht nur on stage sondern auch online und präsentieren ein bunt zusammengewürfeltes bzw. gegoogeltes Potpourri aus Poesie und Profanem wie Bedienungsanleitungen, Einkaufszetteln, Kochrezepten, SMS-Nachrichten oder Dialogen aus Internet-Chat-Rooms. Was ganz spontan wirkt und manchmal im Chaos zu versinken droht, folgt freilich einer genauen Dramaturgie. Und doch ist jeder Abend anders, das Publikum wird mit immer neuem Lesestoff gefüttert. Gleich bleibt nur das Motto: F.A.L.T.
"Das heißt Fucking Austrian Lese-Theater. Und fucking, das bedeutet ja auch verdammt, oder noch eher verflucht. Darum haben wir auch den Nachsatz dabei: Wir lesen alles. Wir haben uns den Titel schon überlegt - vor allem, weil manche Menschen über das Wort gematschgert haben und F.A.L.T. so eine schöne Abkürzung ist, wollten wir uns dann Freaking Austrian Lese-Theater nennen. Wir sind aber nicht schrill und freaky und laut, sondern eher alltäglich."
Sushi-Samba
Werner Brix und Gregor Seberg lesen zum Beispiel in schönen Rhythmen die Angebote aus der Speisekarte einer asiatischen Restaurantkette vor, denn das Japanische, so Gregor Seberg, klingt lustig.
Für jede Literaturform - so philosophieren Brix und Seberg - gäbe es eine geeignete Sprache. Während Liebesgedichte auf Spanisch besonders gut klingen und Deutsch am ehesten geeignet sei für Mahnbriefe und Gebrauchsanleitungen, eigne sich das Japanische vor allem für die Schilderung von dramatischen Geschehnissen. Man höre und staune: Die beiden Sprachkünstler wagen sich in auch an die Simultanübersetzung vom "Erlkönig" heran, denn auf Japanisch klingt Goethe einfach flotter, meinen Brix und Seberg.
Kirk an Scotti
Wenn man sich wie Brix und Seberg für einen launigen Leseabend mit Publikumsbeteiligung von überall her Texte zusammenklaut, dann kann man genau so gut bei sich selber abschauen. Besuchern der "Langen Nacht des Kabaretts" wird die folgende Nummer vielleicht bekannt vorkommen. Geschrieben hat sie Werner Brix einst gemeinsam mit Leo Lukas und O.Lendl und stammt aus der Rubrik "große Literatur zu Unrecht unterschätzt".
Eine Folge aus der Reihe "Raumschiff Enterprise" in neuer, hochkarätiger Besetzung: Als Scotti Otto Otti Schenk, Bruno Kreisky als Mister Spock und in der Rolle des Captain Kirk Oskar Werner.
Wer fliegt so spät durch Nacht und Raum?
Ich bin es, Kirk, man glaubt es kaum.
Ich sitze hier auf meiner Brücke
und flitze durch der Sternen Lücke.
Galaxien haufenweis
Und mitten drin die Enterprise.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 23. April 2006, 22:05 Uhr
Links
Werner Brix
kabarett.at