Visuelle Finten von Alfred Dorfer

Dorfer geht fremd

Lassen sich Geschichten von hinten nach vorne erzählt besser verstehen? Was ist wichtiger, die Wirklichkeit oder deren Interpretation? Und: Kommt man im Leben wirklich mit nur einer Biografie aus? Derlei Fragen beschäftigen Alfred Dorfer in "fremd".

Alfred Dorfer hat sich für sein neues Programm ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Er setzt den Menschen, das Individuum und dessen durchaus heterogene Sehnsüchte und Fantasien in den Mittelpunkt einer Geschichte von Bildern und Trugbildern. Es wird konstruiert und dekonstruiert, verführt und aufgeklärt, es geht um die alten Griechen und die neuen Europäer, um die Wesenszüge bewegter, vertonter Bilder und eine mögliche Zukunft von Alfred Dorfer und seinen musikalischen Weggefährten Günther Paal, Peter Herrmann und Lothar Scherpe als Buena Vista Comedy Club.

Zurück in die Kindheit

In "fremd" spielt Alfred Dorfer mit assoziativen Momenten ebenso wie mit der Tradition des Erzählers. Für den ersten Teil des Abends schickt er sein Publikum auf eine Zurückführung. Der Kabarettist führt uns zurück in die Zeit seiner Kindheit, als der einzige Platz, der ihm ungestörtes Nachdenken ermöglichte, die Toilette war. Dort kam er zu dem Schluss, dass gleich mehrere Seelen in seinem damals noch jungen Körper wohnten. Um genau zu sein so waren es vier Sehnsüchte, die in Alfred Dorfers Psyche vor sich hinbrodelten.

"Das eine ist die Sehnsucht, sich in der Kreativität zu verwirklichen", erzählt er, "zum Zweiten ist es das Zwischenmenschliche im weitesten Sinn, das heißt: sich sozial einzubringen, drittens gibt es die rein rationale Ebene, wo man sagt, ich möchte das jetzt begreifen und durchschauen, ohne emotionale Wirrnisse, und das Vierte ist das Haptische, wo man sagt, man hätte das gerne, möchte es erobern, besitzen, man will Macht über Sachen haben."

Eigen- und Fremdbilder

Alfred Dorfer zeichnet die vier unterschiedlichen Perspektiven seiner fiktiven Lebensbiografie mit eindrücklichen Bildern. Zwischendurch tauchen ganz pragmatische Fragen auf, wie: "Wenn man einen Zecken gegen den Uhrzeigersinn herausdreht, kann man dann in die Vergangenheit reisen?" Am Ende seiner grundsätzlichen Überlegungen kommt Alfred Dorfer zu dem wenig überraschenden Ergebnis: Von allen möglichen Sehnsüchten und Möglichkeiten, sein Leben zu bestreiten, fiel die Wahl auf die Rolle des Witzeproduzenten. Und als selbiger hat er einiges auf der Bühne zu bieten.

Warum Dorfer sein Programm "fremd" nennt, begründet er so: "Das Programm heißt deswegen 'fremd', weil es um Fremdbilder geht und um die Überflutung mit fremden Eindrücken und fremden Deutungen und man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, ob es Bilder sind, die ich mir selbst mache oder ob sie in mir gemacht werden."

Premiere in München
Erstmals in seiner Geschichte wählte der Kabarettist das Münchner Lustspielhaus als Premierenschauplatz. Gemeinsam mit seinen Musikern trat er den mehrheitlich mit hymnischen Kritiken bedachten Beweis an, dass Dorfers Art, die menschlichen Verirrungen und Verwirrungen zu porträtieren, auch jenseits der Grenzen Österreichs im positiven Sinne mehrheitsfähig ist. Günther Paal übernahm bewährt seine nicht mehr ganz neue Rolle als Universalgelehrter, der über Regelfälle, deren Ausnahmen und diverse andere recht unterschiedliche Wissensgebiete Auskunft geben kann.

Frei nach Nestroy

Den zweiten Teil des Abends widmet Alfred Dorfer den Bildern, ihren Klängen, ihrer Intensität, ihrer Wirkung auf den Betrachter. Wie gehen wir mit der Macht der Bilder um, fragt der Kabarettist und findet Antworten in ganz bemerkenswerten Einsichten. "'fremd' funktioniert frei nach Nestroy", hat Alfred Dorfer in einem Interview über sein neues Programm gesagt. Es gibt ein bestehendes Stück, das gleich bleibt und den Rahmen bildet. Zusätzlich bieten Alfred Dorfer und seine Musiker aber jede Menge Improvisationen, tagesaktuelle Themen, die zum Stück passen, assoziative Versatzstücke, die dem Programm trotz inhaltlich anspruchsvoller Kost eine bemerkenswerte Leichtigkeit verleihen.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 9. April 2006, 22:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
"fremd", Kabarett von Alfred Dorfer, ab 18. April 2006, Vindobona,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 1,50).

Links
Alfred Dorfer
kabarett.at
kabarett.cc