Über Süchte und Abhängigkeiten - Teil 2

Konsum und Sucht

Die Struktur der Sucht entspricht der Struktur des Konsums in vielen Momenten: Es gibt einen anfänglichen Kick, und dann braucht es immer mehr davon, um diesen "Flash" wieder zu erleben. Die Droge vernichtet allerdings auch den Konsumenten.

Süchte sind nicht nur an Stoffe gebunden, sondern es gibt auch Stoff ungebundene Süchte. Die bekannteste Sucht ist die Arbeitssucht; auch Magersucht und Esssucht zählen dazu. Aber auch das Einkaufen kann zur Sucht werden und selbst Computer- und Handynutzung nehmen suchtartigen Charakter an, wie unlängst eine Untersuchung ergeben hat.

Sucht und Konsum

Die Struktur der Sucht entspricht der Struktur des Konsums in vielen Momenten: Es gibt einen anfänglichen Kick, und dann braucht es immer mehr davon, um diesen "Flash" wieder zu erleben. Der Konsum der Droge vernichtet allerdings nicht nur das "Konsumgut", sondern im Laufe auch die Person, den Konsumenten - den Süchtigen, wenn es ihm oder ihr nicht gelingt, aus der Spirale der Steigerung auszusteigen.

Doch das ist, wie alle Berichte zeigen, sehr schwierig und gelingt, wenn überhaupt, nur nach mehreren Anläufen. Dazu kommen die soziale Stigmatisierung, die Isolation und die großen Schuldgefühle.

Der Süchtige, ein perfekter Konsument

Die Parallelen zwischen Sucht- und Konsumverhalten sind so auffällig, dass der Medienphilosoph Norbert Bolz meint, dass Süchtige die perfekten Konsumenten wären. Und eine der jüngsten Äußerungen des US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush liest sich fast wie ein Kommentar dazu: Erst vor kurzem meinte Bush, dass die Wirtschaft der USA "addicted to oil" - süchtig auf Erdöl - sei.

Wir leben in einer Suchtgesellschaft, das scheint das Fazit zu sein; auf die eine oder die andere Weise nehmen alle an der Sucht als einer kollektiven Glücksstrategie teil, auch wenn sie im klinischen Sinn des Wortes keineswegs süchtig sind.

Die Sehnsucht nach dem "Flash", nach dem erfüllenden Moment, der Selbstbestätigung wäre freilich besser anderswo zu finden als im Konsum berauschender Mittel.

Der Rausch gehört zum Menschsein

Rausch, darüber scheinen sich die Anthropologen einig zu sein, gehört zum Menschsein dazu. Das Moment der Entgrenzung ist wichtig - doch in den vormodernen Gesellschaften war der Rausch ritualisiert und hatte seinen Ort, an dem er zeitlich begrenzt und daher weit gehend schadlos ausgelebt werden durfte.

Die allerletzten Reste sind vielleicht die sonntäglichen Wirtshausbesuche nach der Kirche, wie das in manchen Dörfern noch immer zur Sitte gehört.

Intensive Lebenserfahrung

Doch Rausch erlebt man nicht nur, indem man berauschende Mittel einnimmt. Berauschende Erfahrungen macht, wer sich ganz spüren kann; sei es beim Wildwasserpaddeln oder ganz einfach bei einer Bergtour oder wo auch immer.

Erfolgreiche Suchtprävention setzt auf diese Momente des gemeinsam erlebten Abenteuers und der Schulung im Gebrauch der eigenen Sinne - und auf die Momente von intensiver Lebenserfahrung, die glücklich machen.

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Gücksstrategien

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 10. April bis Donnerstag, 13. April 2006, 9:05 Uhr

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