NAFTA und die Folgen für Mexiko - Teil 4

Freihandel, Souveränität und Menschenrechte

Der Freihandelsvertrag ist laut Sozialwissenschaftlern viel mehr als nur ein Handelsabkommen. Denn im berühmten Kapitel Elf des NAFTA werden ausländischen Investoren beispiellose Rechte zu gebilligt und gleichzeitig die Rechte des Staates beschnitten.

"Das Herzstück des Freihandelsvertrags ist das berühmte Kapitel Elf, in dem grenzüberschreitende Investitionen geregelt werden. Dieses Kapital billigt ausländischen Investoren beispiellose Rechte zu und beschneidet gleichzeitig die Rechte des Staates", betont Alberto Arroyo. Der Sozialwissenschaftler lehrt an der Autonomen Universität von Mexiko-Stadt und ist Verfasser zahlreicher Studien über die Auswirkungen des freien Handels mit den nördlichen Nachbarn USA und Kanada.

"Auch das Kapitel 15 über Wettbewerb, Monopole und staatliche Unternehmen, dem außer in Mexiko nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, definiert ganz klar, was der Staat tun darf und was nicht. Der Nordamerikanische Freihandelsvertrag hat tatsächlich denselben Status wie unsere Konstitution, ist oberstes Gesetz - mit dem Unterschied, dass dieser Vertrag nicht einmal die beiden Kammern durchlaufen musste, wie das etwa bei einer Verfassungsänderung notwendig ist. Und dieser Vertrag verbietet dem Staat so viele Dinge, dass es praktisch unmöglich geworden ist, eine öffentliche Politik zu machen", erklärt Arroyo.

Einfluss des Staates stark reduziert

Wie sehr das Kapitel Elf die Bewegungsfreiheit der nationalen Regierung einschränken kann, zeigen zahlreiche Beispiele. So sind etwa Kapitalverkehrskontrollen untersagt. Bei Direktinvestitionen ist die Verwendung von Vertragsklauseln verboten, die die nationale Wirtschaft stärken.

Firmen können den Staat verklagen

So darf es zum Beispiel keine Verpflichtung geben, mit nationalen Rohstoffen und Zulieferprodukten zu produzieren. Den Vertragspartnern wird im Kapitel Elf auch nahe gelegt, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie die Umweltgesetzgebung zu flexibilisieren, um ausländisches Kapital anzulocken. Und zudem haben ausländische Konzerne die Möglichkeit die Erfüllung dieser Regeln bei den NAFTA-Schiedsgerichten einzuklagen.

Denn Kapitel Elf enthält auch einen Absatz über "indirekte Enteignung". Eine solche "indirekte Enteignung" ist dann gegeben, wenn die Regierung eine Maßnahme setzt oder ein Gesetz beschließt, das den erwarteten Gewinn eines Unternehmens schmälert. "Die Maßnahme oder das Gesetz kommt also einer Enteignung des erwarteten Gewinns gleich und dafür muss der Staat eine Entschädigung zahlen,“ sagt der Sozialwissenschaftler.

Opposition der NAFTA-Gegner wächst

Ob der Unmut der Bevölkerung tatsächlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen wird, ist derzeit ungewiss. Ungewiss ist freilich auch, ob mit friedlichen Mitteln ein Umdenken der Regierenden erreichen werden kann.

Während die Opposition in vielen Ländern Lateinamerikas wächst und sowohl die Verhandlungen über CAFTA, den Freihandelsvertrag zwischen Nord- und Mittelamerika, als auch über ALCA, der die beiden amerikanischen Kontinente von Feuerland bis Alaska zu einer Feihandelszone vereinen will, ins Stocken geraten sind, verlegt sich die US-amerikanische Regierung auf eine andere Strategie.

Neue Strategie der USA

Nach dem alten Prinzip Teile und Herrsche versucht sie eine Reihe von Abkommen mit einzelnen Ländern unter Dach und Fach zu bringen, vor allem mit solchen, mit denen es starke wirtschaftliche oder, wie im Fall von Kolumbien, auch militärische Verflechtungen gibt.

Doch unabhängig davon, ob es sich um einen relativ kleinen bilateralen Freihandelsvertrag oder um das Großprojekt ALCA handelt, fürchten die Freihandelsgegner ähnliche Folgen wie in Mexiko. Verwunderlich ist dies nicht, denn alle Verträge dieser Art basieren auf denselben neoliberalen Prinzipen, die erstmals im NAFTA-Vertrag festgeschrieben worden sind.

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Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 3. April bis Donnerstag, 6. April 2006, 9:05 Uhr

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