Alles über den "Papierenen Gustl"
Preisverleihung im Wiener Beisl
Jeder kennt den Oscar und auch der Golden Globe ist vielen ein Begriff. Aber kennen Sie auch den "Papierenen Gustl"? Heuer ging diese demokratisch gewählte Auszeichnung an den Woody-Allen-Thriller "Matchpoint". Was steckt dahinter?
8. April 2017, 21:58
Die Zeiten sind fürs Kino nicht gerade rosig: In Wien steht nach der Kürzung der Kinoförderung offenbar eine Schließungswelle bei kleineren Einsaal-Kinos bevor, Hollywood schickt erstmals in großem Stil Filmneuheiten ins Internet, und eine neue Generation hoch auflösender DVDs wird das Heimkino dem herkömmlichen Lichtspieltheater noch stärker annähern als bisher. Und da zerbrechen sich österreichische Kritiker den Kopf über die besten Filme des letzten Jahres? Haben die keine anderen Sorgen? Glücklicherweise nicht.
So lange noch über die Qualität von Filmen gestritten wird, ist nicht alles verloren, so lange sich noch jemand für Rankings der jeweils jahresbesten Leinwandneuheiten interessiert, ist das Kino noch nicht ganz gestorben. Ein illustratives Beispiel für die noch immer vorhandene Attraktivität des Mediums Film ist der "Papierene Gustl". Vor drei Jahren auf private Initiative eines Wiener Filmfans (und Herstellers von Filmprogrammheften) ins Leben gerufen, erfreut sich diese Auszeichnung seither wachsender Beliebtheit in Fachkreisen.
Vergeben wird der "Gustl" (die Herkunft des Namens folgt ähnlich verschlungenen Wegen wie die des Oscars und soll uns hier nicht weiter beschäftigen) auf denkbar demokratischem Weg: Jeder, der irgendwie beruflich mit der Beurteilung von Kinofilmen zu tun hat, kann sich via Internet an der Wahl beteiligen. Zur Abstimmung stehen jeweils sämtliche in einem Jahr in Österreich angelaufenen neuen Filme.
Die Preisträger
Heuer haben 45 heimische Filmjournalisten und Pressereferenten an der Abstimmung teilgenommen. Bester Film 2005 wurde "Matchpoint", gefolgt von "Million Dollar Baby", "Caché" und - zu meiner freudigen Überraschung - "A History of Violence". Sieger der ersten beiden Gustl-Wahlen waren die Titel "Lost in Translation" und "Mein Leben ohne mich" gewesen. Ich finde das eine durchaus vertretbare Auswahl, die allzu breiten Kommerz ebenso umgeht wie extreme Außenseiter. Sämtliche "prämierten" Filme zeigen, dass es Kino für denkende Erwachsene durchaus (noch) gibt, und dass die Preisvergabe (an Vertreter der jeweiligen Filmverleihe) denkbar unglamourös, aber umso gemütlicher in ein Wiener Beisl verlegt wurde, macht die ganze Sache noch sympathischer.
Link
allesfilm.com - Papierener Gustl 2005