Erzählen statt Erklären
Geschichten erzählen - Sprache lernen
Deutschland plant neben verschärften Einbürgerungsbestimmungen auch die Forderung nach guten Deutschkenntnissen beim Schuleintritt von Kindern mit einer anderen Muttersprache. Das wirft die Frage auf, wie das zu bewerkstelligen ist.
8. April 2017, 21:58
Eine Möglichkeit, Sprachverständnis zu fördern, für Kinder mit oder ohne deutsch als Muttersprache, ist das mündliche Geschichten Erzählen - eine Tradition, die einst allgegenwärtig war und heute immer mehr vernachlässigt wird.
Lernen durch Erzählen
Eltern, Lehrer, Erzieher erklären, weisen an, begründen. Erzählt wird aber nur selten. Dabei kann Sprachverständnis in den ersten Lebensjahren ausschließlich in und über zwischenmenschliche Beziehungen gelernt und verbessert werden.
Daher ist Geschichten Erzählen wichtig, unabhängig davon, ob diese nun "wahr" oder erfunden sind. Erlebnisse des Tages können genauso erzählt werden, wie Erinnerungen an frühere Zeiten, oder Märchen. Das Kind lernt daraus den klassischen Handlungsablauf von Geschichten, nämlich Einleitung - Konflikt - Auflösung, sowie den Aufbau von Sätzen. Persönliches Erzählen stellt die notwendige Verbindung zwischen Alltagssprache und Verständnis von in sich geschlossenen literarischen Texten mit stilistisch geformter Sprache dar.
Wortverstehen durch Gesten
Zentrale Handlungselemente werden in Geste und Spiel herausgehoben. Das hilft Kindern, da Gesten rascher versanden werden als Worte, denn sie rufen Bilder hervor. Gerade zweisprachige Kinder, die die Sprache nur teilweise verstehen, können über gestische Darstellungen das Wesentliche erfassen und damit Worte und Sätze lernen.
Formeln, Wiederholungen und Miterzählen
Erzählen fällt Kindern grundsätzlich schwerer als das Sprechen im Alltag. Deshalb ist es förderlich, Kinder zum Mitreden aufzufordern. Dafür eignen sich besonders Geschichten, die über wiederkehrende Sätze, so genannte "Formeln", verfügen. Diese Sätze stellen einerseits einen Ruhepunkt dar, zum anderen regen sie an, mitzusprechen und dienen so als Satzvorlage.
Ein für die Sprachförderung sehr wichtiges Element, ist das Wiederkehren der Grundstruktur. Ein Beispiel: Drei Personen haben dasselbe Ziel, aber nur eine schafft es. Alle drei Episoden werden nach demselben Schema erzählt. Das Kind kennt die Struktur und kann sich verstärkt auf die Worte konzentrieren.
Noch eindrücklicher funktioniert es mit Kettenerzählungen, in denen sich eine ganz kurze Episode vielfach wiederholt. Die Variation liegt darin, dass eine neue Figur oder ein neues Tier auftritt. Wer diese Figur ist oder welches Tier erscheint, können die zuhörenden Kinder mit Zwischenrufen bestimmen. Selbst mit spärlichen Sprachkenntnissen können Kinder zur Geschichte beitragen.
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 29. März 2006, 21:01 Uhr
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