Fünf italienische Kammerduette für Sopran und Alt
Brahms' Händel-Bearbeitungen
Wie manche seiner Komponistenkollegen war auch Johannes Brahms ein glühender Bach-Verehrer - und hat auch Werke dieses Musik-Titanen bearbeitet. Aber ebenso Kompositionen Händels, wie etwa die "Arkadischen Duette", die seit kurzem nun auch auf CD vorliegen.
8. April 2017, 21:58
Händels "Tanti strali": Original und Brahms-Fassung
Johannes Brahms war wie Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy ein glühender Bach-Verehrer. Sein Interesse an der Orgel und an Kontrapunktstudien hatte Clara Schumann entfacht. Dieses ging zwar vorübergehend verloren, aber 1896, unmittelbar nach dem Tod Claras, setzt die gedankliche Auseinandersetzung mit Bachs Instrument wieder ein.
Und Brahms komponiert schließlich elf Choralvorspiele, die erst posthum als Opus 122 veröffentlicht wurden, sie waren seine allerletzten Kompositionen. War es eine Vorahnung des nahen eigenen Endes, waren es Erinnerungen? Jedenfalls bezeichnete er diese Kompositionen seinem Freund Eusebius Mandyczewski gegenüber als "selten". Brahms als Bearbeiter und als Komponist, der ebenfalls bearbeitet wurde, steht diesmal im Zentrum der Betrachtung.
Das rechte Geschenk für die linke Hand
Ein Jahr vor ihrem 50-jährigen Konzertjubiläum im Sommer 1877 bekam Clara Schumann die Folgen einer lebenslangen Überstrapazierung des rechten Armes zu spüren. Und zwar bei einem völlig banalen, alltäglichen Handgriff: dem Öffnen einer Schublade.
Glücklicherweise hatte ihr Johannes Brahms kurz davor ein Klavierstück zugeschickt, dessen Ausführung allein die linke Hand beanspruchte - die Bearbeitung der berühmten Chaconne aus Bachs d-Moll-Partita für Violine solo. Für Brahms "eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke", wie er festhielt: "Auf ein System, für ein kleines Instrument schreibt der Mann eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindungen."
Eine "herrliche Zuflucht" für Clara
Da sein Freund, der Geiger Joseph Joachim, zu selten in seiner Nähe war, musste Brahms an eine Bearbeitung denken, denn: "man will Musik auch nicht immer bloß in der Luft klingen hören". Mit Schumanns Version, die zur Violine einen Klavierpart setzte, war er nicht glücklich, ebenso wenig mit der Fassung für großes Orchester von Joseph Joachim Raff.
"Nur auf eine Weise", so erklärte er Clara Schumann, "schaffe ich mir einen sehr verkleinerten, aber annähernden und ganz reinen Genuß des Werkes - wenn ich es mit der linken Hand allein spiele! Mir fällt dabei sogar bisweilen die Geschichte vom Ei des Columbus ein! Die ähnliche Schwierigkeit, die Art der Technik, das Arpeggieren, alles kommt zusammen, mich - wie ein Geiger zu fühlen." Und Clara hatte ganz einen ähnlichen Eindruck und empfand das unverhoffte Geschenk in ihrer Situation als eine "herrliche Zuflucht".
Brahms Bearbeitung von Händel-Duetten
Brahms hat übrigens auch Händel bearbeitet. Der Tipp dazu kam von Friedrich Chrysander, dem Herausgeber der ersten Händel-Gesamtausgabe. Es handelt sich um fünf italienische Kammerduette für Sopran und Alt. Sie befinden sich in der Sammlung der Denkmäler der Tonkunst in Österreich, und wurden vor kurzem erstmals von Dörthe Maria Sandmann und Lydia Vierlinger, am Klavier begleitet von Russel Ryan, auf CD eingespielt.
Brahms schreibt die Continuo-Begleitung in seiner Bearbeitung dieser Stücke, auch "Arkadische Duette" genannt, also die Stimme für Cembalo und ein Bassinstrument, in seiner Bearbeitung für das Klavier um. Er setzt die bezifferte Basslinie, die ja eigentlich nichts anderes als eine Kürzelschrift ist, die von versierten Pianisten sofort harmonisch umgesetzt und ergänzt werden kann, in einen auskomponierten Klaviersatz, der nicht nur harmonisch, sondern auch melodisch und rhythmisch festgelegt ist. Und er tut dies so behutsam, dass wir uns fragen, wo denn eigentlich die Grenzen dieser so scheinbar entgegengesetzten Welten des Barock und der Romantik verlaufen.
Drei ebenbürtige Partner
Der Klaviersatz bleibt durchsichtig, in den Einleitungen und Zwischenspielen darf sich das Klavier mehr in den Vordergrund spielen. Im Unterschied zum barocken Continuo-Satz wählt Brahms in der rechten Hand ein höheres Register. Dadurch bekommt die Melodiestimme auch eine eher solistische als eine akkordisch stützende Funktion. Drei ebenbürtige Partner sind zugange und eine stärkere Triowirkung stellt sich ein.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 19. Juli 2006, 10:05 Uhr
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