Über die Motive eines Schauspielerlebens
Was glauben Sie, Gert Voss?
Um ein Haar wäre Gert Voss deutschstämmiger Chinese geblieben, denn der in Shanghai Geborene übersiedelte erst nach dem Zweiten Weltkrieg samt Familie nach Deutschland, wo er die wechselvolle Laufbahn eines Schauspielers einschlug.
8. April 2017, 21:58
Gert Voss über seinen Glauben
Um ein Haar wäre er deutschstämmiger Chinese geblieben. Gert Voss wurde nämlich am 10. Oktober 1941 in Shanghai geboren. Die Familie übersiedelte nach dem Zweiten Weltkrieg ins zerbombte Deutschland. Erst dort entschloss er sich - angetrieben von seiner Liebe zur Fantasie, seinem Hang zur sensiblen Darstellung und vom Drang, Menschen zu berühren -, den Beruf des Schauspielers zu wählen.
40 Jahre Voss'sche Schauspielkunst
Nach dem Studium in Tübingen und München nahm Gert Voss Schauspielunterricht. Erste Bühnenengagements führten ihn nach Konstanz, Braunschweig, München, Stuttgart, Köln, Hamburg und Bochum. Zusammen mit Claus Peymann kam Voss 1986 nach Wien ans Burgtheater. 1986 spielte er in Salzburg und danach in Wien in der Inszenierung von Claus Peymann den Ludwig in Thomas Bernhards "Ritter, Dene, Voss". Von der Kritik begeistert aufgenommene Darstellungen von Richard in Shakespeares Richard III. (1987), Prospero in Shakespeares "Der Sturm" (1988) und Shylock in Shakespeares "Kaufmann von Venedig" (1988) festigten weltweit seinen Ruf als Ausnahmeschauspieler.
Der mit zahlreichen Theaterpreisen ausgezeichnete Deutsche wurde nicht weniger als zehnmal von der Zeitschrift "theater heute zum Schauspieler des Jahres gekürt. Von seiner ersten Rolle, dem Eugene Marchbanks in Shaws "Candida im Jahr 1966 bis zu Ibsens "Baumeister Solness" im Jahr 2006 liegen etwa 40 Jahre oder 150 verschiedene Rollen Voss´scher Schauspielkunst.
Vom Göttlichen ergriffen
Es gibt ein spitzes Wort über Schauspieler von George Glass: "Ein Schauspieler ist ein Zeitgenosse, der dir nicht zuhört, solange du nicht über ihn sprichst. Über Gert Voss lässt sich dies wahrlich nicht sagen, auch wenn er sich selbst als einen von den Figuren und der Arbeit "Besessenen sieht. Dem Phänomen Voss kommt man vermutlich besser auf die Spur, wenn man in ihm einen enthusiastischen Darsteller sieht. Und das ganz gemäß der griechischen Wortbedeutung "enthousiasmos - en theos, vom Göttlichen ergriffen, begeistert.
Gert Voss ist ein Schauspieler, der mit Hilfe seiner Kunst in den besten Momenten Wahrheit zum Aufblitzen bringt - ein Geschehen, das für die alten Griechen ein göttliches war. Voss will, dass die Menschen im Theaterpublikum seinen Figuren folgen können: "Ich will sie berühren, in ihnen etwas bewegen.
Mit Peymanns Inszenierung von Richard III. hat Voss 1987 solche fulminanten Triumphe der Berührung gefeiert. Als er den humpelnden, buckligen, hässlichen Tyrannen verkörperte, gelang es ihm, das Bild eines Menschen zu zeichnen, der deshalb so skrupellos unmoralisch wird, weil er unbewusst mit Gott hadert, einen einsamen Kampf gegen Gott und seine Mitmenschen führt, sich von Gott und den Menschen benachteiligt, ungeliebt fühlt und deshalb zum Mörder und Tyrannen wird: "Ich glaube nicht, dass der Mensch selbstverständlich gut ist, meint der Schauspieler kritisch.
Beten ist absurd, aber ich brauche es
Privat ist Gert Voss ein Mensch, der sich vor jeder seiner Vorstellungen neu sammelt und wie ein "Slalomfahrer vor dem Wettkampf sich die ganze Strecke geistig vergegenwärtigen muss. Und nicht nur das: Gert Voss betet regelmäßig, und das schon von Kindheit an. Denn das Leben im Hamburg der Nachkriegsjahre war für ihn in der Kindheit etwas Zerbrechliches und Bedrohtes:
"Ich betete jeden Abend zu Gott, und zählte alle Menschen auf, die ich durch Krankheit und Unfall verlieren hätte können ... es bestand die große Gefahr, dass ich beim Beten einschlief, was eine Katastrophe war, weil das nach meinem Kinderglauben seine Gültigkeit verlor. Ich glaubte, dass ich durch das Gebet mich und meine Lieben beschützen konnte. Und obwohl ich weiß, dass es absurd ist, meine ich es, zu brauchen.
Angst vor dem Tod
Die einzige wesentliche Angst, die der Schauspieler heute hat, ist die Angst vor dem Tod:
"... sowohl des eigenen wie des Todes geliebter Menschen. Denn der gestorbene Mensch wird - so wie er war - nie mehr wiederkehren, sagt er. Für Gert Voss ist Gott eine "Idee, aber zugleich etwas, "das zum Menschen eine Beziehung hat.
Hör-Tipp
Logos, Samstag, 25. März 2006, 19:05 Uhr
Download-Tipp
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Link
Wikipedia - Gert Voss