Filmreife Auftritte für tragende Rollen
Der Diva und die blöde Kuh
Vorsicht, es folgt ein Text mit langen Sätzen, vielen Klammern und verschachtelt wie ein durchschnittliches Messie-Wohnzimmer. Außerdem droht ein Pompejisches Ende. Das alles, weil mich ein schöner Mann vor Jahren quasi verstrahlt hat.
8. April 2017, 21:58
Der Diva reklamierte sich schon des Öfteren in diese kleine, ohne ihn völlig unvollständige Kolumnenwelt hinein. Und da ich dem Diva sehr gewogen bin, stelle ich Ihnen hiermit den wohl schönsten Mann zwischen Wien und San Francisco vor. Egal, ob Sie sich über Lissabon oder über Wladiwostok nach Kalifornien denken.
Für den Diva ist mein hübscher Johnny ein in die Irre geleitetes Wesen, weil offensichtlich hetero, aber na ja. Es gibt noch Hoffnung. Übrigens besteht er auf den irritierenden männlichen Artikel vor "Diva" und die völlige Vernichtung von M&Ms-Großpackungen im Kino, bevor die Werbung endet.
An unsere erste Begegnung kann ich mich erinnern wie an eine Szene aus einem Lieblingsfilm: Ich war unterwegs mit Herrn C., meinem Ex. Wir enterten die U3 in Höhe Rochusgasse, und - Tusch! - vor uns stand der Diva, ein Freund vom Ex. Mit einem Lächeln, für das man normalerweise mindestens 1.000 Zahnarztfrauen aneinanderketten muss. Er strahlt(e) nicht nur buchstäblich, sondern tatsächlich. Der Himmel führte uns später wieder zusammen, so dass ich heute voll Stolz behaupten kann: Ich stehe auf seiner M&Ms-Verteilerliste.
Etwas Ähnliches, nur ganz anderes, war mir mit 18 passiert: Führerscheinkurs im Dorfwirtshaus, im heißen Sommer 1985. Alles wartete auf den Fahrlehrer, aber nicht der kam durch die Tür, sondern ein Paar ewiglanger, braungebrannter, dezent behaarter Männerbeine, oben durch Shorts und unten durch Tennissocken in Turnschuhen begrenzt. Schon war es um mich geschehen. Ein Irrtum, wie sich ziemlich flott herausstellen sollte. Was der Liebe aber keinen Abbruch getan hat. Im Gegenteil. Wir träumten uns gegenseitig in eine schillernde Zukunft und sind uns so nah, wie man sich nur sein kann. (Der Mann mit den langen Beinen war der einzige, der MIR zu Johnnys Geburt etwas schenkte. Kein Lätzchen. Kein Strampler. "Coco" von Chanel. So einer ist das!)
Mitte zwanzig hatten sich meine Träume herunterreduziert wie feine Rindssuppe mit edlem Suppengrün zu simplem Suppenfond zum Saucenaufgießen. (Ich kann nicht kochen.) Statt gleich nach der Matura fluchtartig die Klein- mit der Großstadt zu tauschen, was Ordentliches zu studieren (zum Beispiel einen Brotberuf wie Publizistik oder Theaterwissenschaft...), fand ich mich plötzlich im Extrazimmer eines Gasthofes wieder, inmitten von ambitionierten Eltern, die einen Privatkindergarten gründen wollten. In immer noch derselben Kleinstadt. Ich war nicht ambitioniert, aber bedürftig, weil Johnny schon knapp drei war und ich im Herbst an der Sozialakademie anfangen sollte. (Was soll man sonst in Linz studieren? Jus? Informatik? Betriebswirtschaftslehre? Erschlagen Sie mich doch gleich.)
Staunend hörte ich also den Leuten zu, die aus einem idyllischen, 300 Jahre alten Heuhaufen, der auf eingesunkenen Wänden vor sich hin faulte, mit viel Geld und Ambition (erwähnte ich das schon?) einen Privatkindergarten basteln wollten. Klang ja nett, aber: Fertigstellung in einem Jahr. Auf meinen Einwand, wo ich bis dahin mein Kind verstauen solle, meinte eine mir völlig fremde Frau, die ich noch dazu nicht richtig sehen konnte, weil irgendwie ums Eck sitzend: "Gib' ihn halt zu mir." Ich dachte spontan: So eine blöde Kuh.
Die blöde Kuh und ich haben uns später beschnuppert und festgestellt: Wir mögen einander. Sehr sogar. Mittlerweile ist Frau Ellie, diese Frühsport-Terroristin mit Hang zum Berserkertum beim Autofahren, diese bekennende Tusnelda, die ihre drei Kinder schupft wie eine Generalmajorette und dabei ein Herz hat, indem du dich verlieren kannst, mir die liebste von allen.
Merken Sie es auch? Die Zuneigung brodelt in mir wie ein mittlerer Vulkan. Keine Sorge, der völlige Ausbruch bleibt Ihnen erspart. Belassen wir es besser bei diesem Vorbeben. Weil, wenn ich jetzt noch meinem Hang zur Vollständigkeit nachgebe und diejenigen aufzähle, die sich auf anderen Wegen in mein und Johnnys Leben geschlichen haben, um darin eine tragende Rolle zu spielen, dann bliebe uns nur ein Pompejisches Ende zwischen gefühlsbeduselten Schutthaufen und emotionsgeladenen Staubwolken, aus der zwei lange, braungebrannte Männerbeine ragen und sich die Tusnelda eins hustet. Nur mein Diva würde sich die Asche vom Haupt schütteln und unverdrossen weiterstrahlen. Aber der kann ja gar nicht anders. (Außerdem ist er grad verknallt. Viel Glück, mein Schöner!)