Ein spezielles Oratorium für die Karwoche

Hasses "Serpentes" erstmals in Ö1

Mitte des 18. Jahrhunderts war Johann-Adolf Hasse ein in Europa gefeierter Komponist. Er schrieb Instrumentalmusik, Kirchenwerke, Oratorien, vor allem aber Opern. Für Venedig komponierte er ein spezielles Karwoche-Oratorium, das Ö1 erstmals sendet.

Der aus Bergedorf bei Hamburg stammende Johann Adolf Hasse - er lebte von 1699 bis 1783 - hatte in Italien bei den bedeutenden Opernkomponisten Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti studiert und die venezianische Starsängerin Faustina Bordoni zur Frau genommen.

Mit 32 Jahren wurde er Hofkapellmeister in Dresden, genoss aber die Freiheit, Opern auch für andere Höfe, Theater und Institutionen zu komponieren. So wirkte er z. B. 1735 am Ospidale degli Incurabili, einem der vier venezianischen Einrichtungen, in denen Waisenmädchen und Frauen in Gesang und Instrumentalspiel unterrichtet wurden. Und hierhin gehört das Oratorium "Serpentes ignei in deserto".

Venezianische Karwoche-Andachten

Am Ospedale degli Incurabili war es üblich, vom Palmsonntag bis zum Mittwoch der Karwoche die sogenannten "Quarant’ore" zu feiern, 40 Stunden musikalische Andachten vor dem ausgesetzten Altarssakrament. Jeweils nachmittags erklang ein einteiliges Oratorium, das nicht mit einem Chor endete, sondern eine groß angelegte Einleitung in den Bußpsalm "Miserere" darstellte.

Das lateinische Libretto von Hasses "Serpentes ignei in deserto" basiert auf einer alttestamentarischen Erzählung aus dem vierten Buch Moses, Kapitel 21, Vers 4-9. Dort geht es um den Unmut der Israeliten über die Entbehrungen, die sie nach ihrem Auszug aus Ägypten beim Marsch durch die Wüste erleiden mussten.

Die Strafe Jahwes

Jahwe strafte diesen Aufstand mit einer Schlangenplage, lässt sich aber durch Reue und Gebet wieder versöhnen, indem er Moses den Auftrag erteilt, an einer Fahnenstange eine kupferne Schlange aufzuhängen, die die gebissenen Israeliten anschauen mussten, wenn sie am Leben bleiben wollten.

Affektgemälde der damaligen Zeit

Die Träger der Handlung im Oratorium sind fünf Israeliten, die für verschiedene Ansichten des Volkes stehen:

Eliab vertritt die Unzufriedenen, Eleasar verweist auf die Verdienste Jahwes, Josua will vermitteln. Moses ruft zur Umkehr und warnt vor der Strafe Gottes, Nathanaël schildert die Schlangenplage. Hinzu tritt noch ein Engel, der die Weisungen Jahwes verkündet. Ihnen allen hat Hasse große, virtuos gestaltete Da-capo-Arien zugedacht, Affektgemälde, wie sie eben damals in der Oper üblich waren.

Hör-Tipp
Konzert am Vormittag, Donnerstag, 23. März 2006, 10:05 Uhr

Link
Wikipedia - Johann Adolf Hasse