Elke Krystufek, Zeitgenossin

Collagenhafte Bildkaleidoskope

Die Kunstwelt kennt Elke Krystufek bis zum letzten Schamhaar. Die notorische Selbstbeobachterin des eigenen Spiegelbilds fotografiert und malt sich in unzähligen Versionen selbst ab, stellt den eigenen Leib in den Mittelpunkt von Performances. Ein Porträt.

Pop im Sinne von populärer Kultur ist allgegenwärtig im Werk von Elke Krystufek. In einem ihrer collagenhaften Bilderkaleidoskope marschiert Lady Di als Fotoausschnitt im kleinen Blauen mit königlichem Schritt und routiniertem Siegerlächeln von rechts ins Bild, während das Zentrum von einem, im Art-Brut-Stil gemalten, Selbstporträt der Künstlerin beherrscht wird. Dunkle Haare verdecken das Gesicht, nur die in erdhaften Farben getönten Körperformen lassen auf die Identität Krystufeks schließen. Dazu heißt es in lakonischer Typografie: "... in an interstellar burst I am back to save the Universe".

Geknickte Celebrities

Auch bei zahlreichen anderen Bildern klappen Berühmtheiten der unterschiedlichsten Milieus wie Pop-Up-Windows am Computerschirm auf: Samuel Jackson als Comicfigur; Michael Stipes Kopf, aus einem Foto ausgeschnitten, das rechte Auge mit einem Kartonherz verdeckt; Michael Jackson, in zarter Kolorierung gemalt, wie ein Krystufek-Selbstporträt. Und dann gibt es natürlich noch Norma Jean Baker, die Göttliche, besser bekannt als Marilyn Monroe, einen zentralen Topos im Werk von Elke Krystufek, wie die Künstlerin betont:

Biografien interessieren mich sehr, vor allem das Thema gescheiterter Star, zum Beispiel Monroe. Man kann sich immer noch nicht vorstellen, wer sie eigentlich war. Und mit ihrem extrem stilisierten Aussehen war sie eine Vorläuferin aller Künstler, die mit Selbstgestaltung arbeiten.

Mal verwendet Krystufek klassische Fotos von Monroe, die mit Textbeigaben diskret umsemantisiert werden. Dann wiederum gleicht sie im Selbstporträt die eigenen Gesichtszüge denen der Schauspielerin an. Sie projiziert sich gewissermaßen in die mythische Imago.

Existenzielle Aggregatszustände

Das Ich und das Andere, das Rohe und das Gekochte, das Sein und das Nichts. Immer wieder testet die, im Bild zur Kunstfigur abstrahierte, Künstlerin Elke Krystufek - im Zusammenprall von Repräsentationen ihrer selbst mit den Medienbildern von Berühmtheiten - unterschiedliche Daseinszustände: Wie echt ist das Bild, das ich mir von mir mache? Und wie falsch das Lächeln, das bereits im Hinblick auf globale Bilderzirkulation entworfen wurde?

Durch unterschiedliche bildliche Selbsterfindungen katapultiert sich die Künstlerin selbst in das Spannungsfeld von Sein und Schein, von Authentizität und Künstlichkeit, von Identitätskonstruktion und Selbstauflösung. Der Kurator Paulo Herkenhoff beschreibt ihre Selbstdarstellung als archetypisch popkulturell:

Krystufeks wucherndes Image hat etwas vom ständigen Imagewandel eines Michael Jackson, bei dem sich selbst treu zu bleiben, gerade bedeutet, ständig die Physiognomie, das Erscheinungsbild und die Rollen zu wechseln.

Die Popkultur und ihr visueller Fall-Out

Die Künstlerin ist somit eine Tochter ihrer Zeit. Ihr ästhetischer Impuls wächst häufig aus dem täglichen Umgang mit der Bilderflut des Medien-Paralleluniversums. Vor der Produktion steht bei ihr eine Obsession: Das zwanghafte Sammeln von schönen und unnützen Artefakten aus der Spiegelwelt des Entertainments: Werbefotos, Starschnitte, Magazincover, Plattenhüllen, Merchandising-Produkte, Kleidungsstücke... Allesamt Stimuli einer Kunst, die das Vorgeprägte inhaliert und dann, mit der eigenen Signatur versehen, wieder ausspuckt.

Gebrochene Sicht auf die Wirklichkeit

In einem Punkt allerdings geht Krystufek über die Propheten aus dem Trash-Universum hinaus und reiht sich eher in die Tradition von Expanded Art und Aktionismus ein: nämlich in der Auflösung der Grenze von Kunst und Leben. Krystufek will und muss die Kunst am eigenen Leibe erfahren und mit der eigenen Seele erleben: In einer frühen Aktion überschritt sie die die "Hautgrenze“ und ritzte sich mit einem Stanleymesser Bilder ins blutende Fleisch.

Elke Krystufeks Kunst versucht, so Kurator Herkenhoff, den inneren Kern des eigentlich Unsagbaren zu beschreiben. Alle Zeichen sind vieldeutig, alle Identitätsentwürfe vorläufig, alle Subjektkonstruktionen instabil. Letztendlich instrumentiert die Künstlerin ihre Arbeit als permanenten Selbstfindungstrip.