Der Weltensammler

8. April 2017, 21:58

Er ist in Kapstadt ebenso zu Hause wie in Bombay und bezeichnet sich selbst als einen anarchistischen Sufi. Derzeit weilt er in Wien als einer der Kuratoren der Literatur im März. Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia und aufgewachsen in Kenia, ist ein Weltreisender, der in der Begegnung mit anderen Kulturen seine persönliche Herausforderung sucht. Vor wenigen Monaten wurde seine erste afrikanische Oper "Masque“ in Kapstadt uraufgeführt. Mit seinem jüngst im Hanser Verlag erschienenen Roman "Der Weltensammler“, mit dem er als aussichtsreicher Kandidat für den diesjährigen Leipziger Buchpreis gilt, tourt er derzeit durch Österreich und Deutschland.

Rastlose Biografien

"Der Weltensammler" spielt in der Blütezeit des Orientalismus, der als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu den Zwängen der viktorianischen Kultur viele inspirierte. Trojanow beleuchtet in seinem Roman die erste Nilquellenexpedition, die der britische Offizier Richard Francis Burton Mitte des 19. Jahrhunderts leitete. Ebenso wie Burton, getrieben von der Idee, radikal in neue Lebenswelten einzudringen, ist Ilija Trojanow dem Idol seiner Kindheit gefolgt. Seine Neigung zum Reisen war ihm ohnehin in die Wiege gelegt worden. Trojanows bulgarische Familie floh 1971 über Jugoslawien und Italien in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. Die nächsten Stationen seiner Biografie: Nairobi, Paris, München, Bombay und Kapstadt.

Imperialistischer Rebell

Die Idee, einmal ein Buch über Burton, den Helden seiner frühen Jahre, zu schreiben, verlor Trojanow nie aus den Augen. Wie ein Besessener sammelte er Material über den Exzentriker, der zu Lebzeiten neben seinen minutiös geführten Tagebuchaufzeichnungen über 50 andere Werke geschrieben hat.

An Burton faszinierte Trojanow, dass er - im Gegensatz zu anderen Forschungsreisenden - die Lebensgewohnheiten der andersartigen Kultur ganz und gar in sich aufnahm. Der, für seinen Eigensinn bekannte, Brite pflegte, wie man auf alten Fotos sehen kann, ein "durch und durch orientalisches" Erscheinungsbild.

Als "Rebell mit Hang zur Verkleidung" gefiel es Burton, Machtebenen durcheinander zu wirbeln - allerdings im Bewusstsein, jederzeit auf die Privilegien des Imperialisten zurückgreifen zu können. Auf dem Gebiet der Sexualität zeigte der Erotomane Burton großes Interesse daran, welche unterschiedlichen Ausprägungen die verschiedenen Kulturen zu bieten hatten. Der Expeditionsleiter machte sich unter anderem auch als erster Übersetzer des Kamasutra einen Namen.

Auf den Spuren der Langsamkeit

Trojanow, der Weltreisende, kann jene Rastlosigkeit nachempfinden, die Richard Francis Burton daran hinderte, sich mit dem religiösen und kulturellen Umfeld, in das er hineingeboren wurde, zufrieden zu geben. Für den Roman "Der Weltensammler“ heftete er sich an dessen Fersen und begab sich auf einen Fußmarsch zu den Quellen des Nils.

Durch die Langsamkeit des Reisens stellte sich ein anderer Blick ein. Und so wurden die Welten des Richard Burton auch die seines heutigen Weggefährten Trojanow. Niemals trat dieser auf seinen Reisen als reicher Europäer auf, eher als schlichter Wanderer, der auf diese Weise die Gastfreundschaft, Offenheit und Herzlichkeit der Dorfbewohner erfahren konnte. Je weiter er ins Innere einer ihm bis dato fremden Landschaft vordrang, desto rastloser wurde seine Suche nach der Person Richard Burtons.