Elisabeth Borchers zum 80. Geburtstag

Die Erde bricht wie Brot

"Es gibt für das Schreiben von Gedichten kein theoretisches Kleingeld, keine Faustregeln. Jedes Gedicht ist ein Wagnis", sagt Elisabeth Borchers, eine der großen deutschsprachigen Lyrikerinnen, die dieser Tage ihren 80. Geburtstag feiert.

"Wenn alles zur Ruhe kommt"

Als Lektorin renommierter Verlage, als Übersetzerin, als Herausgeberin vieler Anthrologien und - nicht zuletzt - als Autorin hat sich Elisabeth Borchers ganz der Welt der Bücher verschrieben und wurde so zu einer wichtigen Vermittlerin und Entdeckerin von Literatur. Für ihre Gedichte erhielt sie u. a. den Hölderlin-Preis. Am 27. Februar feiert die deutsche Grande Dame der Lyrik ihren 80. Geburtstag.

Meisterin der Stille

Eine Meisterin des Verschweigens, der irritierenden Stille" - so nannte sie einmal der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Jeder ihrer Texte hat die Kraft, einen Raum zu öffnen, in dem der Leser umgehend auf sein eigenes Ich stößt, sich lesend selbst erfährt.

Von vielen Autoren wird sie auch als Arbeiterin beschrieben. Es gibt wohl kaum eine Bibliothek, in der nicht auch ein Buch zu finden ist, das von Elisabeth Borchers herausgegeben worden ist. Die Liste ist lang: "Märchen deutscher Dichter", "Das Buch der Liebe", "Gedichte berühmter Frauen", "Das Poesiealbum", "Das Weihnachtsbuch für Kinder", "Das große Lalula" u. v. m.

Ein Leben im Zeichen der Literatur

Elisabeth Borchers zählt zu den großen Lyrikerinnen der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. 1926 in Homberg am Niederrhein geboren, war sie nach dem Zweiten Weltkrieg längere Zeit in den USA. 1959 wurde sie Mitarbeiterin der von Inge Aicher-Scholl gegründeten Volkshochschule in Ulm, an der auch andere namhafte Künstlerinnen und Künstler wie etwa Ilse Aichinger referierten.

Besondere Verdienste erwarb sich die Deutsche als Lektorin im Verlag Luchterhand, für den sie 1960 zu arbeiten begann. Gemeinsam mit Franz Schonauer gelang es ihr, namhafte Autoren für den Verlag zu gewinnen. Im gleichen Jahr wurde sie aber auch selbst als Autorin über Nacht berühmt, und zwar mit einem Gedicht, das wie ein Wiegenlied klingt: "eia wasser regnet schlaf". Der assoziative, einlullende Ton scheinbarer Kindersprache, mit dem sie darin ernste Inhalte transportiert, ist damals ebenso begeistert aufgenommen wie strikt abgelehnt worden. Inzwischen ist, was damals revolutionär war, Kanon geworden.

Jedes Gedicht ist ein Wagnis

"Es gibt für das Schreiben von Gedichten kein theoretisches Kleingeld, keine Faustregeln. Jedes Gedicht ist ein Wagnis. Selbst dann, wenn zuweilen ein Gedicht vor allem darum geschrieben wird, weil darin eine bestimmte Zeile, ein bestimmtes Wort unterkommen soll", sagt sie.

Borchers ist es gewohnt, sorgfältig mit Sprache umzugehen. Hier greift sie auf ihre Erfahrungen als Lektorin zurück und beweist, wie riskant die Arbeit des Übersetzens ist. In ihren Gedichten bleibt sie vorsichtig und genau. Da werden keine Antworten leichtfertig gegeben: "Wir haben alles zu verlieren - den Tag, die Nacht", heißt es bezeichnenderweise in einem ihrer Gedichte.

Vergib uns die Müdigkeit

Die Gedichte von Elisabeth Borchers verweisen oft auch auf das Unabwendbare, das Unvermeidliche: "Trauer, mein Text, ich übe dich täglich". Eine Trauer, ein Schmerz, Aussichtslosigkeit, Scheitern sind spürbar, wenn es etwa heißt: "So tief kann ein Grund doch nicht sein, dass wir ihn nicht fänden, gebunden an Füßen und Händen" oder "Wir, unser schwerstes Gepäck" oder "Das Licht gib uns heute und vergib uns die Müdigkeit".

Müde ist Elisabeth Borchers, die am 27. Februar ihren 80. Geburtstag feiert, aber noch lange nicht. Da und dort ist sie zu Lesungen, Vorträgen, Diskussionsrunden eingeladen. Ihre Abende gehören nach wie vor dem Schreiben, denn: "Das eigene Schreiben will forciert werden", sagt sie.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 26. Februar 2006, 14:05 Uhr

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Link
Wikipedia - Elisabeth Borchers