Eishockey, Pelzschmuggel, Banküberfälle und Liebe

Die Ballade vom Whiskeyräuber

Eine "wahre Geschichte über Eishockey, transsilvanischen Pelzschmuggel und Banküberfälle" verspricht Julian Rubinstein. Daran will man schnell zweifeln, doch so unglaublich und verrückt sie erscheinen mag, sie ist wahr, betont der Autor.

Alles ist wahr, betont Julian Rubinstein.

Diese Geschichte ist die von Attila Ambrus, einem in Siebenbürgen aufgewachsenen jungen Mann, der Ende der 80er Jahre nicht nur vor seinen Eltern, die ihn missachten, sondern auch vor Ceaucescu nach Ungarn flieht. Dort angekommen, versucht er sich als Eishockeyspieler, dann als Pelzschmuggler. Beides bringt jedoch weder die ersehnte Anerkennung, noch das nötige Geld, um Spielschulden zu tilgen. So überlegt Attila eines Tages, eine Post auszurauben. Das tut er auch - offensichtlich ist nichts leichter als das in der postkommunistischen Ära. Doch "wie geraubt, so zerstaubt" könnte man sagen. Das Geld reicht nie lange und so wird Attila zum Berufsbankräuber. Die Polizei ist ihm eher dicht am aufgezeichneten Videomaterial als dicht auf den Fersen.

Attilas Credo: "Der Staat beklaut uns und wir beklauen den Staat. Der Unterschied ist nur, dass wir niemandem schaden". Ein solcher Mann kommt auch in den ungarischen Medien nicht zu kurz, verkörpert Attila doch das Bild eines Benachteiligten, der auf unübliche Weise versucht, sich Respekt und einen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. So bezeichnen ihn die einen als modernen Robin Hood Ungarns, die anderen wollen via Fernsehen versuchen, den Whiskeyräuber zu schnappen, und wieder andere versuchen die Story zu vermarkten.

Skurrilitäten überall

Wie diese wahre Lebensgeschichte weiter geht, soll hier nicht verraten werden, nur so viel: Attila wird ein ungarischer Volksheld. Und am Ende schreibt Rubinstein:

Johnnie Cochran, zieh dich warm an, gegen das hier ist der O.-J.-Simpson-Fall eine echte Lachnummer.

Ob das Leben des Attila Ambrus auch dermaßen zum Lachen war oder nicht sei dahingestellt. Julian Rubensteins Buch jedenfalls liest sich gar nicht nach dem Spruch: traurig, aber wahr. Wahr ist sie zwar, traurig erzählt aber eben nicht.

Der Sportjournalist Rubenstein betrachtet Polizei, Medien und Regierung durch die ironische Lupe. Die Nebenwirkungen des Kapitalismus werden da thematisiert und das auf eine Weise, die den Leser trotz der prekären Situation wenn nicht immer lächeln so doch nachdenklich schmunzeln lässt. Würde das Bild der Polizei anderswo überzeichnet wirken, hier entspricht es immerhin der Realität.

Da wird etwa das Auto des Polizeichefs höchstpersönlich mehrere Male gestohlen, da errichtet das FBI das erste Ausbildungszentrum in Ungarn, obwohl in den USA statistisch gesehen mehr Überfälle passieren, da tappt selbst Interpol im Dunkeln - und da gurken nicht nur bei der Polizei und den Medien, sondern auch anderswo skurrile Charaktere herum.

Niederlage als Nationalsport

Nun, die Geschichte Attilas spielt in Budapest, einer Stadt die gerade eben vom Kommunismus in den Kapitalismus geschlittert ist. Das Ungarn vor 1989 wird mit einem ehemaligen Pferdestall verglichen, die Verwestlichung nach der Wende mit einem Blutklumpen in einer erkrankten Arterie. Ein lakonisch-zynischer Abriss der Geschichte Ungarns bildet den Hintergrund. Da wird die Niederlage als Nationalsport in Ungarn bezeichnet und das Land als ein jeher vom Pech verfolgtes dargestellt.

Julian Rubenstein selbst scheint nicht vom Pech verfolgt zu sein: Sein Erstlingswerk, an dem er drei Jahre lange gearbeitet hat, wird international gelobt. Durch einen Artikel in einer Sportzeitschrift auf Attilas Fall aufmerksam geworden, war es für Rubinstein ein Muss, eine faszinierende, anschauliche Lebensgeschichte in einer verrückten geschichtlichen Ära nachzuzeichnen.

Buch-Tipp
Julian Rubinstein, "Die Ballade vom Whiskeyräuber. Eine wahre Geschichte über Eishockey, Transsylvanischen Pelzschmuggel, Banküberfälle und gebrochene Herzen", aus dem Englischen übersetzt von Heike Steffen, Verlag Rogner & Bernhard, ISBN 3807710124