Drei Wünsche
Eastend
Ernst Augustins Roman "Eastend" spielt an einer verwaschenen Grenze, irgendwo zwischen Realität und Vorstellung, Fantasie und Wirklichkeit. Der Roman, der bereits vor 30 Jahren erstmals erschienen ist, hat mit der Zeit nichts von seinem Reiz verloren.
8. April 2017, 21:58
Ein Mann namens Almund Grau geht seiner Frau Kerrie zuliebe in München in eine Therapiegruppe und trifft dort auf ein seltsames Sammelsurium von Gestalten. Ernst Augustin, selbst Psychiater und Neurologe, hat dabei aus seinen eigenen Erinnerungen geschöpft, wenn auch die Schilderungen der Therapiesitzungen mitunter eher den Charakter einer Persiflage haben.
Drei Dinge, die man sich wünschen darf
Für Almund Grau, der immer zum falschen Zeitpunkt das Falsche zu sagen scheint, wird die Zeit in der Gruppe eine harte Prüfung, denn anstatt sich selbst zu finden, verliert er seine Frau Kerrie, die plötzlich mit einem Gruppenmitglied verschwindet. Enttäuscht und verletzt flieht Almund nach London, findet eine Unterkunft im Eastend, nennt sich Almond Grey und wird Psychotherapeut - allerdings nicht ganz ohne magische Unterstützung: Als er den zwergenhaften Exzentriker Bannister aus einem Kühlschrank in Form einer Cola-Flasche rettet, erklärt sich dieser etwas widerwillig bereit, seinem Befreier drei Wünsche zu erfüllen.
Es sind doch immer drei Dinge, die man sich wünschen darf, oder sollte ich das nicht richtig verstanden haben, drei (niemals zwei und niemals vier) Sachen oder Eigenschaften (...), möglichst Gesundheit, Zufriedenheit und ein warmes Herz. Das hatte ich eigentlich noch ganz gut in Erinnerung. Keinen Sack voll Geld, kein Glashaus, keinen Firlefanz, sondern - etwas Solides. Ja, etwas Solides, jetzt war ich in der Position, tief nachzudenken, und was soll ich sagen, irgendwo in einer besonders tiefen Herzenslage dämmerte etwas herauf, etwas besonders Heimliches, Heimeliges. Was man sich immer schon gewünscht, nur nicht gewagt hatte, es sich auch nur zu wünschen.
Autobiografische Elemente
Mit Bannisters Hilfe fasst Grau in London Fuß, kommt zu Geld und Ansehen - und kehrt nach München zurück, um seine Frau wiederzugewinnen. All dies erzählt Augustin auf lebhafte und sprühende Art und Weise, die Ideen scheinen ihm beim Schreiben nur so zugeflogen zu sein. Tatsächlich hat "Eastend" durchaus autobiografische Elemente. Ernst Augustin kennt das Londoner Eastend genau, hat dort mehrere Jahre verbracht und die Entwicklung des Stadtviertels verfolgt - weshalb London in seinem Buch eine Hauptrolle spielt.
Einfach Geschichten erzählen
Bereits Anfang der 80er Jahre hat Ernst Augustin seinen Roman geschrieben, der nun neu aufgelegt wurde. Das phantasievolle und stellenweise surreale Werk hat auch in den dazwischen liegenden 30 Jahren nichts von seinem Reiz verloren. Er wolle einfach Geschichten erzählen, sagt der Autor, und eben das ist vielleicht das Geheimnis seiner Literatur.
In seinem Schreiben gestaltet er, versenkt sich in die Welt seiner manchmal bizarren und doch liebenswerten Phantasie. Er schreibe immer Märchen in moderner Form, meint er. In "Eastend" hat er dem Märchen vom Flaschengeist eine neue Erscheinungsform gegeben und einen Roman geschrieben, wie man ihn heute nur mehr selten findet. Und natürlich hat sich auch Ernst Augustin selbst Gedanken über seine drei Wünsche gemacht:
"Ich würde gerne wirklich noch sehr viel länger leben. Und zwar in gutem Zustand, weil ich noch sehr viel vorhabe. Ja und dann - Geld kann ich auch gebrauchen. Viel Geld. Dann würde ich eine neue Welt bauen. Nicht um sie zu haben, sondern um des Bauens willen. Und den dritten Wunsch, den spare ich mir noch auf."
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Buch-Tipp
Ernst Augustin, "Eastend", Beck Verlag, ISBN 3406535488