Der Menschenverkörperer

Josef Meinrad zum 10. Todestag

Der Mann von La Mancha, der Valentin im "Verschwender": Josef Meinrad galt als wahre Verkörperung dieser Rollen. Er spielte sie und all die anderen Rollen mit einer eigenen Bühnenpräsenz, einer jauchzenden Spiellust und einer lausbübischen Raffinesse.

"Da streiten sich die Leut' herum" hieß, originellerweise, die Autobiografie, die Josef Meinrad 1993, zu seinem 80. Geburtstag, erscheinen ließ. Und mit: "...da leg' ich meinen Hobel hin..." endeten so gut wie alle Nachrufe, nachdem Meinrad im Februar 1996 gestorben war.

Der Burg- und Kammerschauspieler Josef Meinrad schien diese Art der biedermeierlichen Kleinbürger- und Anbiederei magisch anzuziehen. Gewiss, er hat, nach eigenem Bekunden, die Rolle des Tischlergesellen und Bedienten Valentin im "Verschwender", des Dichters Raimund einstige Selbstfiguration mit genialischen Momenten, sehr gerne gespielt, und er tat das mit der ihm und nur ihm eigenen Bühnenpräsenz, der ihm und nur ihm eigenen jauchzenden Spiellust, mit dieser noch, ja, gerade in der biedersten Biederkeit lausbübischen Raffinesse, die seine durchaus nur ihm eigene genialische Kunst war.

Den Charakteren Leben einhauchen

Natürlich, man soll vorsichtig sein mit Etikettierungen wie "einzigartig" und dergleichen, aber Meinrad war's, er war einzigartig, weil er so vielfältig und durch die Vielfalt hindurch immer auch der wahrhafte, nämlich einfältige Weise war. Wer nur die Einfalt sehen wollte, begriff die Größe Josef Meinrads nicht - oder nur so viel davon, als etwa die Musicalgestalt des "Mann von La Mancha" mit der vollsaftigen Don-Quijote-Satire gemein hat, also nicht viel.

Dass Meinrad imstande war, diesem merkantilistischen Skelett eines Charakters fulminantes Leben einzuhauchen, ja, den nachhaltigen Eindruck zu erwecken, hier "die Rolle seines Lebens" gespielt zu haben, bezeugt ein weiteres Meinrad-Phänomen: dass nämlich nicht nur er seine Rollen spielte, sondern seine Rollen immer auch ein wenig Meinrad-Darsteller waren. Es war ein dauernder Jonglierakt auf der Bühne, in dem Josef Meinrad aber eben nicht nur seine Raimund-Figuren gab, sondern auch, und vor allem, scharfer Präzision Nestroyschen Sprachwitz persönlich verkörperte, quer durch die Shakespeare'schen Dramen allen Kategorisierungsversuchen und aller Biedermeierlichkeit eine - und das konnte wiederum nur er! - tragische Nase drehte; der die Existenz des Film- und Fernsehlieblings Meinrad - als den man ihn etwa in Deutschland sehr lange Zeit ausschließlich wahrnahm - scheinbar mühelos mit der des komplexen Charakterlausbuben mit Tragödienverpflichtung verband.

Josef Meinrad hat Kitschdevotionen aller Art, wie gesagt, magisch angezogen. Wie er das gemacht hat, dabei ein Menschenverkörperer und weiser Tor einsamer Größe zu werden und zu bleiben, bleibt sein Geheimnis. Oder, sagen wir: Darum mögen sie sich getrost herumstreiten, die Leut'.

Hör-Tipps
Patina, Sonntag, 12. und 19. Februar 2006, 9:05 Uhr

Hörspiel-Studio, Dienstag, 21. Februar 2006, 20:31 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

TV-Tipp
Streifzug Kultur, Sonntag, 12. Februar 2006, 9:30 Uhr

Mehr dazu in tv.ORF.at