Neues von John Updike
Landleben
Mit "Landleben" hat sich John Updike wieder Altbewährtem zugewandt: der präzisen Schilderung des Lebens in einer amerikanischen Kleinstadt und der direkten Darstellung von Sexualität. Die Kritiker sind begeistert - vor allem die männlichen.
8. April 2017, 21:58
Liest man sich die Rezensionen durch, die zum neuen Buch von John Updike erschienen sind, möchte man meinen, dass dem 74-Jährigen mit "Landleben" wieder einmal ein wirklich großer Wurf gelungen sei, denn in vielen Besprechungen wird der Roman als "mitreißendes", "rares", "fantastisches" "Meisterwerk" bejubelt. Ist er das aber wirklich?
Irgendwo in der Provinz
Im Mittelpunkt des Romans steht der 70-jährige Owen Mackenzie, ein Computeringenieur im Ruhestand, der sich durch den Verkauf seiner Software-Firma an den Apple-Konzern ein kleines Vermögen eingehandelt hat. Dies ermöglicht ihm und seiner Frau Julia ein behagliches, sorgenfreies Dasein in einer Kleinstadt, irgendwo in der amerikanischen Provinz. In derartigen Kleinstädten hat Owen sein ganzes Leben zugebracht - und daher lautet der Originaltitel von "Landleben" auch "Villages".
Owen hält Rückschau auf sein Leben - oder vielmehr auf seine erotische Biografie, die den bei weitem größten Teil des Textes ausmacht. Sie beginnt mit noch etwas unbeholfenen, pubertären Annährungsversuchen, führt über die früh geschlossene erste Ehe mit einer Studienkollegin zu zahllosen, ausführlich beschriebenen Seitensprüngen und schließlich zur Begegnung mit Julia, der Ehefrau eines protestantischen Geistlichen, die sich - vor 25 Jahren - wegen der Beziehung zu Owen scheiden ließ, was damals in der Kleinstadt natürlich für einen großen Skandal sorgte.
Zurück zu "großen Themen"
"Wieder einmal ein echter Updike", heißt es in den Kritiken. Und als besonders positiv wird hervorgehoben, dass Updike in "Landleben" zu seinen "großen Themen" zurückkehre: nämlich Kleinstadt, Ehe und Betrug. Da erhebt sich allerdings die Frage, ob das allein schon genügt, wenn ein Schriftsteller nach einigen Misserfolgen nun mit seinem 21. Roman wieder zum Altbewährten zurückkehrt, zu jenen Themen, mit denen er schon vor Jahrzehnten erfolgreich war.
Mit seiner offenen, direkten Darstellung von Sexualität lieferte Updike einst (vor allem mit seinen so genannten Rabbit-Romanen) Neuartiges und Aufregendes. Das allerdings ist schon einige Zeit her. Der erste Rabbit-Roman erschien 1960 - und wenn sich nun Owen Mackenzie an die "wilden" Zeiten der sexuellen Revolution der 60er und 70er Jahre erinnert, dann wirkt das ein wenig müde, langweilig.
Genauer Beobachter
"Landleben" sei eben ein "Männerbuch" bekommt man in Bezug auf diesen Roman des Öfteren zu hören. Nun mag es durchaus anerkennenswert sein, wenn es einem Schriftsteller gelingt, mit seinem Werk den Erwartungen einer speziellen Zielgruppe zu entsprechen, aber ein zuverlässiges Merkmal literarischer Qualität ist es wohl nicht. Und wenn dem Verweis auf das "Männerbuch" dann noch der Zusatz folgt: vor allem für Männer ab einem gewissen Alter, dann könnte ein barsches Diktum über "Landleben" auch lauten: "Altherrenträume an der Grenze zur Senilität".
Dabei hat John Updikes neuer Roman durchaus seine Qualitäten, aber diese sind nur dort zu finden, wo er (in seinem Schaffen) Neuland beschreitet: nämlich in der Beschreibung des Alltagslebens des alternden Ehepaares Owen und Julia. Einfühlsam und detailliert bis in die kleinsten Regungen wird hier nachgezeichnet, wie die beiden einander lieben und gleichzeitig auf die Nerven fallen, wie sehr sie den Verlust des anderen fürchten und doch unter dem Aufeinander-Angewiesen-Sein leiden, wie liebevolle Zuwendung genauso wie viele kleine Boshaftigkeiten zu ihrem Alltag gehören. Hier stimmt das Urteil "Wieder einmal ein echter Updike", denn da spielt der große alte Mann der amerikanischen Literatur seine überragenden Fähigkeiten als genauer Beobachter und bis ins kleinste Detail präziser Erzähler aus. Und ganz offensichtlich weiß er, wovon er spricht.
Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 12. Februar 2006, 18:15 Uhr
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Download-Tipp
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Buch-Tipp
John Updike, "Landleben", aus dem Englischen übersetzt von Susanne Höbel und Helmut Frielinghaus, Rowohlt Verlag, ISBN 3498068830