Großer Diagonale-Preis für "Die Vaterlosen"

Marie Kreutzer, Buch & Dramaturgie

Ursprünglich wollte sie Schriftstellerin werden: Marie Kreutzer, Jahrgang 1977, die ihr Studium für Buch und Dramaturgie an der Filmakademie Wien mit Auszeichnung absolviert hat. Heuer erhielt die erfolgreiche Filmemacherin den Großen Diagonale-Preis für ihren ersten Spielfilm "Die Vaterlosen".

"Ich habe seit meinem zehnten Lebensjahr geschrieben und wollte ursprünglich Schriftstellerin werden. Durch Informationen über das Studium an der Filmakademie dachte ich mir, ich probiere es dort, da kann ich wenigstens schreiben. Denn eigentlich hatte ich gar kein Studium im Bereich Film geplant. Die Art für dieses Medium zu schreiben ist anders als bei einer Kurzgeschichte oder einem Roman. Also musste ich umlernen.

In den ersten zwei Jahren ist die Ausbildung Fächer-übergreifend, man macht auch praktische Erfahrungen in den Bereichen Regie oder Kamera. Damals wurde mir klar, dass ich auch Regie führen will. Auch das ist ja eine Form des Geschichtenerzählens", schildert Marie Kreutzer, gebürtige Grazerin, Jahrgang 1977, die ihr Studium für Buch und Dramaturgie an der Wiener Filmakademie bei Walter Wippersberg im Juni 2006 mit der Diplomarbeit zum Thema "Dramaturgie des Kurzspielfilms" mit Auszeichnung abgeschlossen hat.

Zu dieser zeit realisierte sie noch im Rahmen der Filmakademie den Kurz-Spielfilm "White Box" mit zwei Kolleginnen, die diese Produktion als Abschlussarbeit produzierten:

"Ich habe die Geschichte adaptiert, das Drehbuch geschrieben und Regie gemacht. Ich bin sehr froh über diese Möglichkeit, weil ich mir jetzt noch nicht zugeraut hätte, einen langen Film zu machen", so Kreutzer damals.

Geschichten in Bilder auflösen

"Ich versuche immer sehr stark in Bildern zu erzählen, Dialoge schreibe ich nicht so gerne. Es gehört dazu die Szenerie, die Figuren zu beschreiben. Aber nicht alle Details so festzuschreiben, dass auch der Regisseur noch Raum für Gestaltungsmöglichkeiten hat. Im Idealfall dient das Drehbuch dazu, dass man sich den Film vorstellen kann", beschreibt Kreutzer ihre Tätigkeit als Drehbuchautorin.

Die Arbeit des Dramaturgen besteht darin, ein Drehbuch unter den Aspekten zu beurteilen, ob die Figuren glaubhaft sind, ob die Spannungsbögen stimmen oder die Geschichte verwirrend wird. "Als Drehbuchautor fehlt einem natürlich die Distsanz zur eigenen Arbeit. Daher kann man als Dramaturg nur eine eine andere Arbeit burteilen."

Tätigkeit bei Script & Continuity

Praktische Erfahrungen konnte die junge Filmschaffende bei ihrer Tätigkeit als Script & Continuity von 1999 bis 2001 bei mehreren Kino- und TV-Produktionen sammeln. Dabei werden in einem Scriptblock u.a. die technischen Details erfaßt, so z.B. welche Blenden verwendet wurden, die gedrehten Szenen festgehalten bzw. die Szenen- und Textanschlüsse.

"Zuletzt habe ich bei der Götz Spielmanns Schnitzler-Verfilmung 'Spiel im Morgengrauen' sowie ein Jahr bei der Low-Budget-Produktion 'Thanksgiving' mitgearbeitet", erzählt Kreutzer. Seit 2003 war sie als Gestalterin für die "Sendung ohne Namen" des ORF tätig.

Diagonale-Preisregen für "Vaterlose"

Bei der Preisverleihung der Diagonale 2011 erhielt Marie Kreutzers erster Spielfilm nicht nur den Großen Spielfilmpreis, sondern auch Preise in den Hauptkategorien:

Er wurde auch mit den Preisen für die besten Darsteller und die beste Bildgestaltung ausgezeichnet.

Cine-Styria-Stipendium für "Die Vaterlosen"

2005 hatte Kreutzer das Cine-Styria-Stipendium für ihr Drehbuch "Die Vaterlosen", einer Adaption von Tschechows "Platonov", erhalten.


"Das Stipendium war eine große Hilfe, denn ich konnte davon einige Monate leben und mich der Arbeit an meinem Drehbuch in Ruhe widmen. Es ist eine Adaption des Tschechow-Stoffes, spielt aber in einem ganz anderen Milieu. Es ist u.a deshalb ein schwieriges Drehbuch, weil es sehr viele Figuren gibt und ich diese nicht auf zwei oder drei Hauptfiguren reduzieren möchte", berichtete Kreutzer.

1. Preis für "Cappy Leit"

Bereits mit ihrem ersten Kurzfilm "Cappy Leit" (2000) hatte Marie Kreutzer großen Erfolg: Er wurde bei der Diagonale 2001 gezeigt und gewann den 1. Preis des Jugendfilm-Wettbewerbs der Kurzfilmtage Oberhausen. Außer in den damaligen ORF-Kunststücken wurde der Film auch in den TV-Kultursendern arte und 3sat gezeigt. "Der Preis war natürlich eine große Überraschung", erinnert sich Kreutzer.

Auch Kreutzers zweite Arbeit "un peu beaucoup" (2002) wurde bei der Diagonale 2003 gezeigt, nahm an zahlreichen internationalen Festivals teil und wurde bei den "short cuts cologne 03" mit dem 3. Preis ausgezeichnet. 2004 führte sie beim Pilotfilm von "digital diaries", einer Reality Soap, Regie.

2005 gestaltete sie im Rahmen der Kooperation zwischen der ORF-Religionsabteilung und der Filmakademie für "Kreuz & Quer" im Rahmen der "7 Todsünden"-Reihe den Dok-Film "Trägheit".

Film über geistig Behinderten

Zuletzt hat Kreutzer das Drehbuch für den Schweizer Kinofilm "Das Fräulein" von Andrea Staka überarbeitet und schreibt nun mit Regisseurin Ulrike Kofler, einer Studienkollein, am Drehbuch für "Doof", der die Länge von etwa einer Stunde haben wird.

"Das wird ein Film über einen behinderten Mann, dessen Mutter stirbt und der in der Folge in eine Behinderten-Wohngemeinschaft kommt. Der Titel kommt daher, weil es ein geistig behinderter Mann ist, den die Kinder so bezeichnen. Das Drehbuch ist noch nicht ganz fertig, aber es wird bereits an der Finanzierung gearbeitet und die Dreharbeiten werden voraussichtlich im Frühling beginnen."

Sein Publikum finden

Das Leben einer freischaffenden Künstlerin sieht sie realistisch: "Es ist nicht einfach, denn man lebt mit dieser Unsicherheit. Es bedeutet viel Stress und Aufwand: Man braucht einen Steuerberater, muss sich selbst versichern und um viele Dinge kümmern. Eine höhere Miete z.B. wäre schon ein Problem für mich. Dennoch würde ich mich auch heute für diesen Beruf entscheiden."

Und die beruflichen Zukunftswünsche der erfolgreichen Filmerin? Die Filme, die ich machen will, auch machen und davon leben zu können. Und dass sich die Menschen meine Arbeiten auch ansehen, denn das ist ja für Filmemacher eines der größten Probleme in Österreich", so Marie Kreutzer.