Kommissare sind international
Brodelndes Griechenland
Es hat sich viel getan in der griechischen Krimi-Szene, seit "die Mutter" aller griechischen Thriller erschienen ist: "Z" von Vassilis Vassilikos. Letzter Höhepunkt: die Fahndungserfolge des von Petros Markaris erfundenen Kommissars Charitos.
8. April 2017, 21:58
Er ist ein scharfer Beobachter, dieser Petros Markaris. Und er geht Unstimmigkeiten, die ihm in der alltäglichen Wirklichkeit aufgefallen sind, nach. Wie zum Beispiel, fragt er sich, halten es die Menschen, die in den Medien arbeiten, aus, sich für den täglichen Erfolg einer vielleicht nur Minuten dauernden Sendung aufzureiben? Wie kommt es, dass die kleinen Fußballclubs, die "Plebejer des Fußballs", so viel Geld haben? Warum brennt ein ganz normales billiges Beisel, das einer repatriierten Pontos-griechischen Familie gehört, ab und kann danach als Gourmettempel wieder aufmachen? Und: Wer ist schuld an der Schuldenkrise?
Das lässt Markaris keine Ruhe. Er fragt Beteiligte, deren Verwandte und Nachbarn; im Fall des Fußball-Krimis "Nachtfalter" musste er einem seiner Informanten Stillschweigen schwören!
Nah an der Wirklichkeit
Nichts ist einfach erfunden, nicht der Lexikon lesende Kommissar, nicht seine weinerliche Ehefrau, auch nicht die gespannte Atmosphäre im Haushalt Charitos. Selbst wenn er seinen Schauplatz Athen aus dem Gedächtnis schildert, ist er erstaunlich nah an der Wirklichkeit.
"Eine Journalistin wollte einige Orte besichtigen", erzählt er in einem Interview, "da bin ich mit ihr erstmals in eine der Straßen gegangen. Und siehe, diese Blumentöpfe, diese kleinen Häuser mit der schmalen Eisentreppe, die man hinaufsteigen muss, um in ein Einzelzimmer zu gelangen - alles war, wie ich es beschrieben hatte."
Kult-Thriller "Z"
Markaris ist nicht der einzige griechische Krimiautor mit internationalem Ansehen. Zum Kult wurde der Polit-Thriller über die Ermordung des linken Oppositionspolitikers Lambrakis: "Z" von Vassilis Vassilikos. An diesen Erfolg konnte er jedoch bis heute nicht anschließen, auch nicht mit dem 1992 in Griechenland veröffentlichten zweibändigen Roman "K", einer höchst brisanten, romanhaften Dokumentation über den Skandal, in den der Banker Jorgos Koskotas verwickelt war.
Postmodernes Kreta
Nicht nur um eine verschwundene Mumie geht es im Roman "Die Mumie des Ibykus", der auch als "Die Nostalgie der Drachen" zu haben ist. Wer hat Interesse an einer uralten Mumie? Was verschweigt der Ex-Kommunist und Leiter des Athener Museums für Frühgeschichte? Wer verbirgt sich hinter den unzähligen Drachen, die der Museumsdirektor auf der quer durch Europa führenden Spur der Mumie trifft? Und wie passt die ihm zur Seite stehende Polizistin, Tochter des Offiziers, der ihn damals gefoltert hat, ins Bild?
Die auf Kreta spielenden Krimis von Jorgos Jatromanolakis fallen aus dem üblichen "Wer hat's getan"-Schema heraus. Die seelischen Abgründe interessieren den Autor, die Zwiespältigkeiten von freier Entscheidung und Vorherbestimmung, die Unbehaustheit des Menschen, die seit Ewigkeiten währende Sinnsuche. Raffiniert. Postmodern. Und dennoch spannend zu lesen.
Zwiespältiges
Ebenfalls auf Kreta spielt der sehr zwiespältig aufgenommene zweite Roman von Ioanna Karystiani "Die Schattenhochzeit". Ein hoch dotierter US-Wissenschaftler, ein Gentechniker, kehrt nach 30 Jahren in seine alte Heimat zurück und wird aus der (Un-)Wirklichkeit der kalten Forschungslabors hineingeworfen in die nicht minder (un-)reale Welt der Blutrache, die in brütender kretischer Hitze offensichtlich immer noch sehr gut gedeiht.
Und schließlich sei noch jener Grieche erwähnt, der die schwedische Krimiszene aufmischt: Theodor Kallifatides. Er hat sympathischerweise eine weibliche Kommissarin erfunden, und die Fälle, die er ihr zu knacken gibt, können sich durchaus mit denen der "gestandenen" Schweden messen.
service
Petros Markaris, "Faule Kredite", Diogenes Verlag
Petros Markaris, "Hellas Channel", Diogenes Verlag
Petros Markaris, "Nachtfalter", Diogenes Verlag
Petros Markaris, "Live!", Diogenes Verlag
Petros Markaris, "Balkan Blues. Kriminalgeschichten", Diogenes Verlag
Vassilis Vassilikos, "Z", Kiepenheuer und Witsch Verlag
Demostheens Kourtovik, "Die Mumie des Ibykus", Reclam Verlag
Jorgi Jatromanolakis, "Bericht von einem vorbestimmten Mord", DuMont Verlag
Ioanna Karystiani, "Schattenhochzeit", Suhrkamp Verlag
Theodor Kallifatides, "Ein leichter Fall", Knaur Verlag
Frankfurter Rundschau - Interview mit Petros Markaris