Ein Land im Umbruch

Dörfer in China

800 Millionen Menschen in China leben in Dörfern, mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Doch immer mehr Dorfbewohner geben ihre ländliche Beschäftigung auf und suchen in den Städten nach Arbeit. Geschätzte 150 Millionen Menschen sind permanent in Bewegung.

Das österreichische Forschungsprojekt "Success" hat in sieben chinesischen Dörfern modellhaft gezeigt, dass auch ein Gegenbild zur Landflucht möglich ist. Von 16. bis 17. Jänner 2006 präsentierte eine internationale Forschergemeinschaft die Ergebnisse des EU-Geförderten Projekts beim Symposium "Chinesische Dörfer und ihre nachhaltige Zukunft" in Wien.

Drei Jahre lang haben chinesische und europäische Wissenschafter gemeinsam mit chinesischen Dorfbewohnern Zukunftsbilder entwickelt, die den Dörfern eine neue Rolle für das China des neuen Jahrtausends geben. Die These: die Dörfer in China sind "proto-nachhaltig“ das heißt, noch verbrauchen sie kaum mehr Ressourcen, als sie selber produzieren können, sie bleiben im Rahmen ihres "Naturbudgets“.

Unabhängig von der Zentralmacht

"Der Berg ist hoch und der Kaiser ist weit“ - mit diesem chinesischen Sprichwort beschreibt die wissenschaftliche Projektleiterin Heidi Dumreicher vom österreichischen Institut Oikodrom die Unabhängigkeit der Dörfer von der Zentralmacht.

Seit 1949 hat die kommunistische Partei Chinas den Bauernstaat propagiert. Doch heute, wo die wirtschaftliche Entwicklung im Vordergrund steht, begreifen sich die Bauern als die Verlierer der Politik in China.

In China lebt ein Viertel der Weltbevölkerung, doch gleichzeitig steht China nur ein Siebtel des bebaubaren Landes weltweit zur Verfügung. Immer mehr Menschen sollen von immer weniger Land leben.

Aufzeigen von Alternativen

Im Mittelpunkt der Forschung im Projekt "Success“: Welche nachhaltigen Modelle und Methoden gibt es in den Dörfern, die erhalten bleiben sollten? Wie kann die Lebensqualität im ländlichen Raum verbessert werden?

Eines der sieben Forschungsdörfer war Du Jia, eine 100 Seelen Gemeinde in der südwestlichen Provinz Yunnan - ein Bergdorf mit alten Steinhäusern und traditionellen chinesischen Hinterhöfen, in denen die Großfamilien Tierfutter, Werkzeug und Nahrungsmittel lagern.

Aus der Analyse des Alltags entwickelten die Wissenschafter Systemmodelle, die gedankliche Experimente erlauben. Was geschieht, wenn das Dorf Dujia Strom aus Solarenergie gewinnt oder anstelle von Benzin Alkohol verwendet, der aus Mais gewonnen wird? Wie wirkt sich das auf das Einkommen der Bauern aus? Was tun mit neu entstehender Freizeit, wenn sich die Arbeitsweisen verändern? In enger Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern entstanden nachhaltige Zukunftsszenarien für die sieben Dörfer.

Veränderungen beginnen im Kleinen

Vom großen Ganzen ins kleine Detail, vom Umland des Dorfes zur Ausrichtung der Innenhöfe und zur Beschaffenheit der Hausmauern: die Architekten im Team stießen auf traditionelle chinesische Häuser, die ihre Bewohner Kosten sparend und umweltschonend vor Kälte und Hitze schützen und sie mit einem komfortablem Raumklima umgeben.

Dieses alte Wissen geht heute in den Dörfern verloren - wer sich im Dorf ein neues Haus bauen kann, signalisiert Modernität und verzichtet dafür auf natürliche Wärmedämmung und Baumaterial aus der näheren Umgebung.

Kleinprojekte für die Zukunftsgestaltung

"Wie stellen wir uns unser Dorf in 20 Jahren vor?“ In den sieben Dörfern diskutierten die Bauern und Bäuerinnen ihre Zukunft. Kleinprojekte entstanden, die die Dorfbewohner mit den Wissenschaftern besprachen und auch selbst durchführten.

In Dujia hat heute jeder Haushalt Fließwasser, das mit Solarenergie erwärmt wird. Die Bewohner des Dorfes Bei Su Zha, etwa 400 km südlich von Peking, entschieden sich dafür, Computer mit Internet-Anschlüssen für die Dorfschule zu besorgen. In Xia Fou Tou in der Provinz Henan steht heute ein Badehaus, das den Dorfbewohnern eine Waschmöglichkeit bietet und gleichzeitig Treffpunkte und kleine Geschäfte entstehen lässt.

China und die globale Energieversorgung

Viele der Dörfer in China sind noch immer traditionelle Bauerndörfer mit sehr niedrigen CO2 Emissionen. Nigel Mortimer, britischer Experte für nachhaltige Energie, unterstreicht, dass Nachhaltigkeit zwar ein lokales Konzept ist, aber nur funktionieren kann, wenn es ein globales Netzwerk dazu gibt.

China ist in der Weltwirtschaft seit dem WTO Eintritt ein wichtiger Player, wird aber auch die globale Energieversorgung auf den Kopf stellen. Der Bedarf Chinas an Rohstoffen lässt heute in Europa die Ölpreise ansteigen. Das Projekt Success zeigt: Was heute in den Dörfern in China geschieht, wird die gemeinsame Zukunft der globalen Welt mitentscheiden.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 1. Februar 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Links
Projekt Success
Internationales Symposium
Chinese Villages and their Sustainable Future