Sind die Matrizen der Bereicherung gleich geblieben?

Die dunklen Seiten des Glanzes

"Alles in uns ist dunkel, meine liebe Beatrice!", schrieb Miroslav Krleza, der wohl bekannteste kroatische Schriftsteller, in seinem Theaterstück "Die Glembays" (1928). Das Sujet des Stücks ist der Aufstieg und der Fall einer großen bürgerlichen Familie.

In seinem Theaterstück "Die Glembays" (1928) schrieb Miroslav Krleza, der wohl bekannteste Schriftsteller Kroatiens: "Alles in uns ist dunkel, meine liebe Beatrice!" Das Stück handelt vom Aufstieg und Fall einer großen bürgerlichen Familie. Die Glembays waren für Krleza ein Paradebeispiel einer kroatischen bürgerlichen Familie. Nach einer Feier anlässlich des 70-Jahre-Jubiläums der Glembays Bank zerbröseln die Fugen und ans Tageslicht strömen all die Schattenseiten des äußerlichen Glanzes.

Dem bekannten Anfangsatz des Stückes über die Dunkelheit in uns folgt gleich ein noch bekannterer Satz über die Glembays - und er betrifft nicht nur diese Familie: "Die Glembays sind Mörder und Falschspieler ... " Nach mehr als 40 Jahren der gebrochenen bürgerlichen Kontinuität und der Herrschaft der politischen Eliten sind in den Ländern des ehemaligen sozialistischen Ostens die Karten sozialer Streuung aufs Neue gemischt worden.

Schlüsselwort für neuen Reichtum

Tycoon - das ist ein wichtiges Wort in der Region Süd-Osteuropas. Unter diesem Wort, das ursprünglich von Shoguns in Japan an westliche Geschäftsleute weitergegeben wurde und später im Gebrauch als Bezeichnung für Zeitungs-Medienmagnaten stand, versteht man hier einen Mann, der in neuen, postkommunistischen Zeiten unheimlich reich geworden ist. Dabei bleibt, sehr oft, die Quelle seines Reichtums nicht klar (siehe: die Dunkelheit von Krleza). Das Wort Tycoon ist die Bezeichnung einer neuen Klasse innerhalb einer Gesellschaft, die sich von Null an strukturieren musste.

Wir nehmen an, dass wir über die heutigen führenden Politiker in den ehemaligen "sozialistischen" Ländern genug wissen, um mit ihnen die "große" Politik zu machen. Viele von ihnen waren Dissidenten, viele waren auch im ehemaligen System aktiv. Entweder als "nicht (zu stark) korrumpierte" Parteifunktionäre der einzig herrschenden Partei, die sich geschickt in eine "demokratische" Partei umwandelte, oder sie waren als zurückhaltende Akademiker oder Professoren tätig.

Ein Beispiel für die neue Klasse

Wer sind die heutigen Millionäre, Multimillionäre oder sogar Milliardäre des Ostens, mit denen man "große", "globale" Geschäfte macht? Woher stammen solche Menschen, wie zum Beispiel der Russe Roman Abramovich? Wie konnten sie in dem relativ ausgleichenden System des Sozialismus ein so großes Vermögen machen, dass sie heute überall als "globale Spieler" gelten?

Wer ist, nehmen wir ein anderes aktuelles Beispiel, Bogoljub Karic, der als großer "Tycoon" in Serbien bekannt ist und als solcher in den Geschäften der Telekom Austria als wichtiger Akteur verwickelt ist? Auf der Web-Seite der heute in Serbien sehr bekannten Familie Karic steht: "Die Familie Karic, oder wie sie überall, wie bei uns, so auch in der Welt als Braca Karic - Die Gebrüder Karic - bekannt ist, feierte 1998 ein großes Jubiläum. Seit dem lange zurückliegenden Jahr 1763, das in ihrem Wappen steht, sind 235 Jahren vergangen. Das macht stolze 235 Jahre von den ersten Unternehmensschritten der Familie, die vor 25 Jahren unter dem Namen Braca Karic ihre Wiedergeburt erlebt hat."

Reichen- Liste postkommunistischer Länder

Auf der Liste von den 100 reichsten Menschen in den postkommunistischen europäischen Staaten (2005), die die polnische Agentur WPROST veröffentlicht hat, findet sich der Kroate Ivan Todoric auf dem 98. Platz (er ist neu auf der Liste) mit einem Vermögen von 320 Millionen Dollar. Abramovic (15.000 Millionen US-Dollar) führt die Liste an und Karic ist mit stolzen 800 Millionen auf Platz 48 gelandet.

Man kann lesen, dass Todoric 1951 in Zagreb geboren wurde und dass sein Vater Direktor einer sozialistischen Firma war. Todoric war eine Zeitlang im Gefängnis - und es ist noch immer nicht ganz klar, aus welchen Gründen. Nach der Freilassung gründete er eine Blumenfirma, bis er 1989 die Aktiengesellschaft AGROKOR registrierte. Ständig von Unklarheiten (siehe: das Dunkle) und wirtschaftlichen Skandalen begleitet, kam er 2005 auf die WPROST-Liste mit einem Vermögen von 320 Millionen US-Dollar.

Wie wird man so schnell reich?

In der hoch interessanten Liste der polnischen Agentur, mit dem symptomatischen Namen WPROST - was man als direkt, geradeaus oder einfach übersetzen kann - , ist wirklich alles klar.

Die für den Durchschnittsmenschen berauschenden Ziffern sprechen für sich, aber was uns diese Lektüre schuldig bleibt, ist die Erklärung, wie man in so kurzer Zeit (konkret: weniger als 20 Jahre) so großes Privatkapital schaffen kann.

Eine Erklärung für Vergangenes

Miroslav Krleza hat mit seinem Satz, dass alles in und um uns im Dunkeln liegt, offenbar recht. Sein Held Leone Glembay, ein Maler, hat gegen seine Familie und deren Herkunft rebelliert. Am Ende des Stücks tötet er die zweite Frau seines verstorbenen Vaters.

Es muss nicht sein, dass die Grundlage der sozialen Schichtungen, die Krleza in seinem Theaterstück 1928 vorgestellt hat, noch immer gilt. Das, was jetzt aber vor unseren Augen geschieht, kann als eine Möglichkeit zur Erklärung sozialer Streuung in der Vergangenheit Wert haben.

Links
Literaturhaus Wien - Milo Dor 80
Sichtungen - Ausgewählte Briefe an Manès Sperber
Universität Innsbruck - Jugoslawien - Österreich. Literarische Nachbarschaft, Band 28
The Karic Foundation
WPROST