Nicht nur Medikamente heilen

Kunst als Medizin

Internationale Untersuchungen der vergangenen Jahre belegen, dass Architektur und Design eines Krankenhauses sowie der Einsatz von Kunst im Heilungsprozess eine nicht unbedeutende Rolle spielen und noch dazu beitragen, auf lange Sicht Geld einzusparen.

In unmittelbarer Nähe des "Cross Cancer Institute", das seinen krebskranken Patienten neben medizinischer Betreuung auch die Möglichkeit gibt, Bilder zu malen, mit Speckstein zu arbeiten oder Skulpturen zu kreieren, befindet sich das University of Alberta Hospital.

Kunst wird hier in den Alltag integriert: Die bekannte McMullen Kunstgalerie ist täglich geöffnet, und jeden Donnerstagnachmittag können die Patientinnen und Patienten in den Ausstellungsräumen selbst kreativ werden. Bilder der Kunstsammlung hängen in den Krankenzimmern und Aufenthaltsräumen.

Kunst als Heilmittel

"Klinische Forschungen zeigen, dass Patienten, die sich mit Kunst beschäftigen, weniger Schmerzen, Ängste, Depressionen und Gefühle von Alleinsein und Einsamkeit haben", sagt Susan Pointe, Kunstberaterin des kanadischen Krankenhauses, in dem 1100 Ärzte arbeiten. Daher will man den jährlich 700.000 Patienten mehr als nur beste medizinische Versorgung bieten.

Farbige Bilder auf klinisch weißen Wänden, angenehme Beleuchtung, Veränderungen der Raumproportionen von zum Beispiel Intensivstationen, damit die Apparate und Maschinen von den Patienten und deren Angehörigen nicht mehr als so bedrohlich empfunden werden, Maltherapien nach einem Herzinfarkt oder Musiktherapie bei Wachkoma-Patienten finden sich inzwischen auch vereinzelt in europäischen Spitälern.

Kein luxuriöses Accessoire

Wird Medizin als ganzheitliche Heilkunde interpretiert, dann sehen Ärzte in der Kunst kein luxuriöses Accessoire, sondern eine Hilfe im Genesungsprozess.

Bilder, Skulpturen, Töne, Melodien durchbrechen das Wahrnehmungsmuster der Kranken, blockieren die Schmerzhelix, knüpfen an die schönen oder auch tragischen Momente des eigenen Lebens an.

Kunst kann ein Rettungsseil sein, um nach dem Sturz in die Krankheit aus dem seelischen Tief herauszukommen, in den Alltag zurückzufinden, eine neue Richtung einzuschlagen.

Architektur und Wohlbefinden

Wie lässt es sich verhindern, dass Krankenhäuser kulturfreie, unästhetische, auf reine Funktion reduzierte Bauten sind, aus denen die Patienten oft kränker herauskommen als sie hineingegangen sind? Diese Frage stand im Zentrum des internationalen Kongresses "Arts in Healthcare", der vor kurzem in Kanada stattfand.

Eine Antwort darauf gab der langjährige Leiter des Kinderspitals von San Diego, Kalifornien, Blair Sadler. Es gehe darum, beim Neubau eines Krankenhauses die Ergebnisse der jüngsten Studien umzusetzen: Einzelräume anstelle von Doppelzimmern, um Infektionen zu vermeiden, durch eine entsprechende Zimmerausstattung die kostenintensiven Transporte von Patienten zu minimieren, Kunst in allen möglichen Formen zu integrieren, um Stress und Angst der Patienten zu verringern und dadurch Medikamente einzusparen.

Finanzierungsmodell

Den Einwand, dass die weltweit kollabierenden Gesundheitssysteme derartige Investitionen nicht verkraften können, lässt der ehemalige Berater des "US National Institute of Health" nicht gelten.

Seine Rechnung: Investiert man bei einem Spital, das zweihundertvierzig Millionen Dollar kostet, weitere zwölf Millionen, dann lassen sich bereits im ersten Jahr sieben bis zwölf Millionen Dollar einsparen.

"Das hat nichts mit Medizinphilosophie zu tun, sondern mit Ökonomie", sagt Blair Sadler, "vor zwei bis drei Jahren war das noch eine Glaubenssache, jetzt, belegt durch die neuen Daten, ist es eine Tatsache".

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 23. Jänner, bis Donnerstag, 26. Jänner 2006, 9:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendereihe "Radiokolleg" gesammelt jeweils am Donnerstag nach Ende der Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.