Wer soll das Lesen - Teil 3

Das Buch als Einrichtungsgegenstand

Nicht nur Romaninhalte sind Veränderungen des Zeitgeschmacks unterworfen, das Buch an sich ist nicht mehr reine Informations- und/oder Unterhaltungsquelle. In heutiger Zeit können Bücher Statussymbole oder sogar Einrichtungsgegenstände sein.

Das Zur-Schau-stellen von Luxus befriedigt nicht nur unsere persönlichen Eitelkeiten, Luxusgüter sind natürlich auch ein Indikator für Statussymbole. Allerdings, nicht alle Statussymbole sollen auf jede oder jeden gleich wirken. Bekanntlich will man mit seinem Auto ja auch nur Angehörige seiner eigenen sozialen Umgebung imponieren und nicht Hinz und Kunz. Dasselbe gilt natürlich auch für exklusive Uhren, teure Taschen, diverse Sportarten - oder eben Bücher. Ja, auch Bücher sind mittlerweile Statussymbole.

Schwieriger wird die Sache mit dem Imponieren, wenn das Statussymbol nicht mobil ist. So zum Beispiel beim Sammeln zeitgenössischer Kunst. Obwohl man als kunstinteressierter Laie die allermeisten dieser Kunstwerke - weil eben privat - so gut wie nie zu Gesicht bekommt, hat diese Art der Freizeitbeschäftigung derzeit ein überaus hohes soziales Prestige. Wenn jemand aber kein Kunstkenner ist, und der Gastgeber eher das Understatement liebt und damit den Gast nicht auf die Besonderheit eines bestimmten Bildes hinweist, dann erfüllt das teure Bild an der Wand nur bedingt seinen Zweck.

Lesen macht sexy

Wesentlich einfacher ist es da schon bei Büchern. Diese kann jeder als solche identifizieren. Und die Faustregel "Je mehr Bücher jemand sein Eigen nennt, desto gebildeter ist er", diese Regel hat zwar ihre Schwächen, doch glauben die meisten von uns instinktiv an eine vorhanden Korrelation zwischen Quantität der Bücher und der Qualität der Gedanken des Besitzers. So mancher Bücherkenner kann bereits an Hand der Buchrücken Rückschlüsse auf gewisse Vorlieben des Bibliothek-Besitzers ziehen. In gewisser Weise exhibitioniert eine solche Bibliothek auch seinen Besitzer.

Das wiederum impliziert auch eine durchaus erotische Komponente, bestätigt der Direktor des Kunsthistorischen Museums Wien, Wilfried Seipel: "Es gibt eine Umfrage, in der festgestellt wurde, dass Frauen Männer, die Bücher lesen, besonders sexy finden." In seiner Privatbibliothek befinden sich übrigens rund 15.000 Bücher.

Der Rücken soll enzücken

Ganz anders verhält es sich mit der zweiten Art von Bibliotheken. Da wird das Buch zum Einrichtungsgegenstand. Es gibt sogar Leute, die Bücher nach dem schönen Ledereinband kaufen. Und der Trend, sich seine Bibliothek nicht selbst auszuwählen, sondern vom Innenarchitekten designen zu lassen ist - zumindest im höherpreisigen Einrichtungssegment - nicht zu übersehen.

Allerdings stellt sich dann die Frage, ob es nicht ehrlicher wäre, gleich leere Buchrücken, wie sie in Einrichtungshäusern als Dekorationsmaterialien verwendet werden in die Regale zu stellen.

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Ex libris, Sonntag, 22. Jänner 2006, 18:15 Uhr

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