Konstantin Wecker exklusiv im Ö1 Interview

Lyrisch-rebellisches "Weckerleuchten"

"Ich glaube nicht, dass ich mit Liedern die Welt verändern kann", sagt Konstantin Wecker. Seine Lieder regen dennoch zum Nachdenken an, sind aufrüttelnd, gleichzeitig aber poesiehaft; sie predigen geradezu die längst ausstehende Revolution.

Seine Vorstellung über Gott und Spiritualität

Die Isar, der Sommer, das Schwimmen, Singen und Dösen - das ist "sein irdischer Himmel“: "Meine Seele ist an der Isar zu Hause“, sagt Konstantin Wecker. Er ist ein italophiler-dyonysischer "Flussmensch“, ein Mensch, der sich im Fluss bewegend verwandelt und andere verwandelnd bewegt. Einer der es versteht, durch sein Dasein anderen Mut zu machen, sie selbst zu werden.

Ein Leben wie in einer Hochschaubahn

1947 in München geboren, zählt Konstantin Wecker zu den erfolgreichsten Liedermachern Deutschlands. Ersten nationalen Erfolg hatte seine LP "Weckerleuchten“. Mit "Genug ist nicht genug“ gelang ihm der Durchbruch zu internationaler Anerkennung. Insbesondere seine leidenschaftliche Ballade "Willy“, die an einen Freund erinnert, der bei einer Kneipenschlägerei mit Rechtsradikalen ums Leben gekommen ist, wurde zum Kultlied einer ganzen Generation. Zahlreiche LPs und CDs folgten, ebenso wie Filmauftritte, Musicals, ein Roman und zahlreiche Gedichte.

1995 wurde Wecker wegen Kokainbesitzes und -konsums verhaftet und zu einer zweieinhalb jährigen Haftstrafe verurteilt. Nach diesem Rückschlag startete Wecker künstlerisch neu durch und wurde nach Einschätzung der Frankfurter Neuen Presse "besser denn je“. Anlässlich seines jüngsten Wien-Konzerts hat Ö1 den Künstler in einem Exklusiv-Interview zu den Motiven und Hintergründen seiner lyrisch-rebellischen Künstler-Laufbahn befragt.

Exklusiv-Interview mit dem deutschen Liedermacher

Heutzutage ist eine eigentümliche Abwesenheit von Politik in der Kunst zu bemerken. Das sieht man im Kabarett, im Theater, in der Musik, im europäischen Kino und in der Bildenden Kunst. Womit hat das zu tun? Haben die Künstler vor der Politik resigniert? Sind sie saturiert?
Ich würde sagen, es ist eine Abwesenheit von Engagement, von Pathos, zu etwas stehen, sich zu etwas bekennen - das ist ja ein typisches Zeichen der Postmoderne; sie hat ja durchaus ihre Meriten, nämlich, dass man absolute Wahrheiten endgültig zertrümmert und hinterfragt, aber das Negative dabei ist, wenn daraus eine Beliebigkeit entsteht, und zwar derart, dass man sich für nichts mehr engagiert, sondern nur noch alles ins Lächerliche zieht und dadurch wiederum niemand anderem fröhnt als seiner eigenen Egozentrik. Die Menschen stellen nicht mehr kritisch in Frage, was ihnen von außen her durch Werbung, durch die Industrie, durch die Konzerne oder durch einen sicherheitsgeilen Staat aufgezwungen wird.

Sie meinen, dass unser Markt, oder Marktfundamentalismus unser Denken und Fühlen beherrscht?
Mittlerweile ja. Man muss ja heute wirklich sagen, dass man beherrscht wird, nicht nur von den Konzernen, sondern auch von ihren Gedanken, und dass es immer schwerer wird, dieser gesamten Promotion auszuweichen.

In der Pubertät sind Sie mehrmals von Zuhause ausgerissen. Sie sagen heute darüber: "Ich habe das Paradies suchen wollen. Bis heute will ich eigentlich das Paradies suchen, und die Musik ist für mich eine Treppe zum Himmel". Das ist eigentlich eine Sprache ähnlich der Sprache der Meditation ...
Vor allem eine Sprache, die man eigentlich gar nicht mehr sprechen darf, weil man sofort gnadenlos ausgelacht wird, wenn man solche Worte verwendet. Ich habe auch einmal mit 25 Jahren in einem Interview gesagt, ich möchte ein Engel werden. Mein Gott, ist da über mich hergefallen worden! Das waren sehr mutige Sätze, eigentlich viel mutiger, wie wenn man irgendetwas Hartes, Politisches gesagt hätte.

Sie haben auch gesagt: "Meine Mutter ist meine mutigste Kritikerin; sie hat viel auszusetzen an mir, hat aber nie versucht, mich zu ändern. Es ist auch gut und gesund, vor allem wenn man so selbstherrlich lebt wie ich - mit meiner eigenen Moral". Was meinen Sie damit? Welche Grundsätze leiten Sie im Leben? Woran orientieren Sie sich dabei?
Tja das ist jeden Tag wieder eine neue Frage. Ich habe immer schon abgelehnt, autoritäre Strukturen anzunehmen; ich habe die Staatsmoral abgelehnt, nicht alles, aber ich habe nicht eingesehen, dass man mir eine Moral von Außen überstülpt; ich habe die Moral der Katholischen Kirche abgelehnt. Ich bin in diesem Sinne eigentlich ein unmoralischer Mensch geworden. Und gerade diese Menschen brauchen irgendwo einen eigenen Halt und eine eigene Ethik. Und vielleicht ist Vieles daraus geboren, was mich dazu treibt, zu schreiben und zu lesen. Darum ist mir ja auch oft der Ruf vorausgeeilt, ich sei ein Moralist, was ich natürlich gar nicht gern höre, weil Moralismen will ich ja vermeiden, verhindern. Ich bin und war immer schon ein Mystiker. Diese Achtsamkeit auf sich selbst, auf seine innere Stimme zu achten, auf diese Stimme, die auch jenseits des kursiven Verstandes angesiedelt ist, die kann in Form von Melodien zu einem sprechen, von Texten zu einem sprechen. Also mich hat schon immer die Kultur vor absoluter Verelendung gerettet.

Sie schreiben: "Es geht in der ganzen Kunst nur um Liebe. Die Liebe ist der Schlüssel zum Paradies. Wie meinen Sie das?
Ich denke, dass fast alle Gedichte, die jemals geschrieben wurden, Liebesgedichte sind. Alles ist ein Schrei nach Liebe. Und das Wichtigste ist, dass man überhaupt in der Lage ist, Liebe zu empfinden und geben zu können. Durch meine Kinder habe ich jetzt noch eine weitere Stufe der Liebe kennen gelernt, die nicht vergleichbar ist mit der Liebe zu einem Partner. Wieso? Weil man gegenüber Kindern noch viel großzügiger ist. Kinder können einem fast alles antun, aber man wird sie immer lieben. Liebe ist für mich Hingabe an andere Menschen. Man muss das weitergeben, was man in sich hat.

Die wichtigste Frage, die sie beschäftigt, haben Sie einmal gesagt, sei sicherlich die Frage nach Gott. Ist das heute auch noch so?
Ich habe festgestellt, dass ich den Gott, der mir aufoktroiert wurde, immer wieder zertreten musste. Auch in der Bibel steht: "Du sollst dir kein Bild von mir machen". Man muss Gott töten, man muss es, weil er immer wieder ein Bild wird, eine feste Vorstellung, ein Gehäuse, in das man sich hineinbegibt. Gott ist aber lebendig. Ich bin in letzter Zeit sehr vorsichtig mit dem Wort "Gott" geworden. Ich kann es bei engen Freunden verwenden oder beim Beten, wenn ich selbst Gott anspreche; da habe ich auch keine Probleme "Allah" zu ihm zu sagen oder etwas anderes.

Hör-Tipp
Logos, Samstag, 14. Jänner 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Konstantin Wecker