Die Wissenschaft des Seelischen

Faszination Freud

Die Darstellung des Unbewussten, wie sie Sigmund Freud 1899 in der "Traumdeutung" niedergeschrieben hat, war für das Verstehen der menschlichen Psyche revolutionär. Worin besteht 2006 das Faszinosum Freud, worin liegt die Aktualität der Psychoanalyse?

2006 wird die 150. Wiederkehr des Geburtstages von Sigmund Freud gefeiert. Am 6. Mai 1856 kommt er im nordostmährischen Freiberg zur Welt. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts entwickelt Freud - ausgehend von Studien zur Hysterie - die Grundlagen für seine Disziplin, die Psychoanalyse.

Die Traumdeutung

Die Stiftungsurkunde der Psychoanyse, die "Traumdeutung" wurde 1899 publiziert, vom Verleger - vielleicht die epochemachende Bedeutung des Werkes ahnend - wurde sie auf das Jahr 1900 vordatiert.

Die Arbeit an dem Buch war nach Freuds eigenen Worten ein Teil seiner "Selbstanalyse, als Reaktion auf den Tod des Vaters", also "auf das bedeutsamste Ereignis, den einschneidendsten Verlust im Leben eines Mannes".

Die Elemente der "Verdichtungsarbeit", durch die der Traum gebildet wird, die psychischen Arbeitsvorgänge, die ihn entstehen lassen, versucht der Archäologe der Seele in der Deutung der Träume, in der psychoanalytischen Arbeit zu entwirren.

Eine ganze Anzahl von Phänomenen des Alltaglebens Gesunder, das Vergessen, Versprechen, Vergreifen, und eine gewisse Klasse von Irrtümern danken einem analogen psychischen Mechanismus wie der Traum ihre Entstehung. (Sigmund Freud, "Über den Traum")

Die großen Krankengeschichten

Die neue Psychoanalyse führt später zu einer Vielzahl von therapeutischen Schulen, zu Abspaltungen, zu unterschiedlichen Ansätzen in der analytischen Arbeit. Die psychoanalytische Therapie Freuds wird in den großen Krankengeschichten "Dora", "der kleine Hans", "Leonardo", "Der Rattenmann", "Der Wolfsmann" - niedergeschrieben.

Die in den Krankengeschichten aufgezeigten Details der Wechselbeziehung zwischen Therapeuten und Patienten - zwei Stichworte: Übertragung und Widerstand - sorgen auch ein Jahrhundert später noch für Diskussionen.

Die unbequemen Schriften

Die Faszination Freud wird an seinen schwierigsten Texten am sichtbarsten. "Das Unbehagen in der Kultur", 1930 erschienen, zeigt, wie alle späten Schriften Freuds, eine "provokatorische Entschiedenheit, ja Radikalität, die kaum noch geneigt ist, auch nur die geringsten Kompromisse zu machen", so Hans-Martin Lohmann, Freud-Kenner und Autor.

Der Text zähle zu den unbequemsten Schriften Freuds: Die Widersprüchlichkeit zwischen der Gewalt der Kultur und der Notwendigkeit, Kultur erreichen zu müssen, auch unter Triebverzicht, etwa der aggressiven Neigungen.

Kultur und Sexualität

Der unaufhebbare Gegensatz wischen "Kultur und Sexualität" durchzieht Freuds gesamte Schriften. Explizit formuliert er eine Theorie des Sexuellen in den "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" 1905; provozierend damals in ihren Theorien zu sexuellen Perversionen, zu Ausdrucksformen der kindlichen Sexualität:

Die Sexualbetätigung (des Kindes) lehnt sich zunächst an eine der zur Lebenserhaltung dienenden Funktion an und macht sich erst später von ihr selbstständig. Wer ein Kind gesättigt von der Brust zurücksinken sieht, mit geröteten Wangen und seligem Lächeln in Schlaf verfallen, der wird sich sagen müssen, dass dieses Bild auch für den Ausdruck der sexuellen Befriedigung im späteren Leben maßgebend bleibt. (Sigmund Freud, "Drei Abhandlungen über die Sexualität: Die infantile Sexualität")

Sigmund Freud betonte in den sozialwissenschaftlichen Schriften die grundlegende Bedeutung der Sexualität für die menschliche Existenz, entpathologisierte sie, stellte den Übergang zwischen dem, was Perversion genannt wurde, Neurosen und dem, was als normales Verhalten galt, als fließend dar. Er stieß damit Tore auf, die Wege sichtbar werden ließen, auf denen weiterzugehen sich lohnte.

Hör-Tipp
Faszination Freud, Dimensionen, Montag, 2. Jänner 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Links
Sigmund Freud Museum Wien
Freud-Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung