Die herausragenden Höhepunkte des heurigen Jahres

In memoriam Kabarett 2005

Am Silvesterabend lädt "Contra" zu einem Blick zurück, zurück auf herausragende Kleinkunstereignisse des ausklingenden Jahres, auf die unterhaltsamsten und bemerkenswertesten Augenblicke der vergangenen Kabarettsaison.

Alf Poier über das Leben und Sterben als Star

Kabarett und Kleinkunst im Zeitraffer passiert das Jahr 2005 Revue. Der Titel "Gröbster Unfug" ist im wahrsten Sinn des Wortes Programm. Erinnert wird an die heitersten und die bemerkenswertesten Beiträge des ausklingenden Jahres.

Ausgezeichnetes zum Ersten

Ein Mann und sein Problem: Er möchte die Zeit überlisten. Für sein fünftes Solo namens "Megaplexx“ schlüpfte Werner Brix in die Rolle der Montagsausgabe einer Managerpersönlichkeit. Ausgerüstet mit einem Handy als Symbol für ununterbrochene Kommunikationsbereitschaft in jeder Lebenslage und geschlagen mit Optimierungs-Wahnvorstellungen, schickt der Kabarettist seinen angeblichen Modernisierungsgewinner in die Sprechstunde eines Therapeuten.

Brix’ Bühnenfigur hat nur scheinbar alles unter Kontrolle: Job, Kommunikationsstrukturen, Familienalltag und - vor allem natürlich: das eigene Leben. Dass nichts davon stimmt, davon überzeugte der Kabarettist und Schauspieler in einer rasanten Performance und wurde dafür mit dem Salzburger Stier 2005 für Österreich ausgezeichnet.

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Ausgezeichnetes zum Zweiten

In der "Zeit" kategorisierte man Georg Ringsgwandl als "Punk-Qualtinger", als "Karl Valentin des Rock'n'Roll". Im Jahr 2005 wurde der 57-jährige Kabarettist aus Bayern mit dem Sonderpreis zum Bonner Prix Pantheon in der Kategorie "Reif und Bekloppt" ausgezeichnet. "Der Bayer steht aufrecht auf dem doppelten Boden der Moral", sagte die Jury über Ringsgwandl. Der Ex-Kardiologe beschreibt als Künstler auf der Bühne den verzweifelten Kampf der Menschen um Individualität und entlarvt mit erbarmungsloser Freude, wie so mancher Zeitgenosse an diesem Kampf scheitert.

In seinem neuen Programm "Alte Reißer und junges Gwachs“ vermischt Georg Ringsgwandl Klassiker aus seinem Repertoire mit neuen Texten zu einem bunten Abend der menschlichen Verrenkungen.

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Ausgezeichnetes zum Dritten

"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen schwer" - unter dieses Motto stellte der steirische Kabarettist Leo Lukas das dritte Programm seiner Beziehungs-Trilogie. Beschäftigte er sich in den Jahren zuvor mit Fragen, wie "Was Frauen glücklich macht“ und "Was Männer wirklich brauchen", so widmete er sich in seinem aktuellen Solo dem Nachwuchs. "Wohin die kleinen Kinder kommen“, wollte der Kabarettist diesmal wissen und erspielte sich mit seiner humoristischen Analyse über die möglichen und unmöglichen Irrwege der Nachkommenschaft den österreichischen Kabarettpreis Karl. Die teils erfundenen, teils erlittenen Anekdoten eines väterlichen Alltags siedelte Leo Lukas irgendwo zwischen Abrahams Wurschtkessel und einem privatisierten Himmel an.

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Premiere der Gutmenschen

Genügt es, die Obdachlosenzeitung "Augustin“ zu kaufen oder muss man sie dann auch lesen? Fragen, die den echten "Menschenfreund“ beschäftigen, den Thomas Maurer in seinem aktuellen Programm auf die Bühne bringt. Er ist ein Künstler, er ist von der Satire beflügelt und er hat Überzeugungen, die in der aufgeklärten Szene durchaus als salonfähig gelten.

Der Kleinkünstler, den Thomas Maurer verkörpert und der auch denselben Namen trägt, wie sein geistiger Vater, hat zwei Programme in den Sand gesetzt; das Publikum blieb aus und mit ihm auch das Geld. Also musste der Kabarettist seinen Wohnsitz vom 16. Wiener Gemeindebezirk in die Peripherie von Scheibbs verlegen, ein günstiges Biedermeierhaus aus dem Jahr 1868 anschaffen und ukrainische Hilfskräfte für Renovierungsarbeiten anheuern. Für den politisch korrekten Bühnenhelden alles sehr problematisch - aber die Lebensabschnittspartnerin namens Iris wollte es so haben. Und damit wird das Scheibbser Umfeld für Thomas Maurers Bühnenfigur zum Experimentierfeld für mancherlei Lebensfragen.

Premiere über hintergründige Clowns

"Kill Eulenspiegel“ - unter dieses Motto stellte Alf Poier heuer sein viertes Solo. Aus den Debatten, die der Künstler und Performer in diesem Frühjahr mit seinem Lied "Good Old Europe is dying“ auslöste, zog er u. a. eine Konsequenz: Er erarbeitete ein Programm, das die scheinbare Dekonstruktion des Clowns zum Ziel haben sollte. "Hintergründiges des Clowns in den Vordergrund" ist über weite Strecken Leitmotiv für das neue Solo. Grundsätzlich geht es um das Sein und das damit verbundene Ungemach.

"Gedanken braucht man nur zum Einkaufen“, sagt Alf Poier in seinem heiteren Plädoyer für einen freien Kopf: "Weniger postmoderner Materialismus und mehr Beschäftigung mit dem so genannten 'Wesentlichen' könnten dabei hilfreich sein". In seinem Programm "Kill Eulenspiegel“ widmet er sich daher dem zwiespältigen Verhältnis des Künstlers zu seiner eigenen Berühmtheit - frei nach dem Motto: "Hilfe, ich bin ein Star!"

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Premiere über geklonte Wesen

"Ansichten eines Klons“ hat Joesi Prokopetz 2005 auf die Bühne gebracht. Genauer gesagt sind es An- und Einsichten von acht geklonten Wesen - von Prototypen, die uns in der Straßenbahn ebenso erscheinen können, wie im Gasthaus oder auf dem Fernsehbildschirm.

Prokopetz' Figuren stammen aus dem österreichischen Alltag, deren vordergründig gezeigte Eigenschaften mit wenigen Worten beschrieben sind und deren erkennbare Verhaltensmuster sicher nicht als singuläre Erscheinung durchgehen. Diesen Prototypen verlieh der Künstler im Rahmen seines kabarettistischen Symposiums Gestalt und ließ sie als Zeugen dafür auftreten, dass Individualität in unserer Konsumgesellschaft ein recht relativer Begriff ist.

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Gastspiele in der Toilettenbranche

Sigi Zimmerschied führte sein Publikum in die Welt des Josef Lana, seines Zeichens Betreiber einer öffentlichen Bedürfnisanstalt in vierter Generation. Der als "Scheißhaussepp“ bekannte Mann hat ein Problem: Was einst als feudales Kleinunternehmen begonnen hat, kracht mittlerweile ganz gewaltig im Gebälk.

Der bayerische Kabarettist schlüpfte in seinem neuen Programm in jene Rolle des Einzelkämpfers in Sachen öffentliche Toilettenbranche und erzählt als "Scheißhaussepp" vom Scheitern in dieser Branche. Gleichzeitig präsentiert er seinen kreativen Kampf gegen die eigene ökonomische Auslöschung.

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Gastspiele des Circo Massimo

Mit seinem kuriosen Bühnenkunststück "Circo Massimo“ war im Jahr 2005 auch der italienische Wahlschweizer Massimo Rocchi in Österreich zu Gast. Der Verwandlungsakrobat, Pantomime und Sprachjongleur, der bei Marcel Marceau sein Handwerkzeug lernte, erzählt seine Geschichten mit vollem Körpereinsatz. Dabei kommt die Sprache aber keineswegs zu kurz - ganz im Gegenteil: Massimo Rocchis Redelust ist so groß, dass ihm seine Muttersprache nicht ausreicht. Daher jongliert er auf Italienisch, Französisch, Deutsch, Schwyzerdütsch und Spanisch mit den Idiomen Europas.

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Gastspiele der Mikromänner

"Lauter liebe Leute“ versprach der in München lebende Exilösterreicher Severin Groebner in seinem neuen Programm zu präsentieren. Dass der experimentierfreudige Kleinkünstler tadellos zwiespältige wie zwielichtige Charaktere in das Rampenlicht zerren würde, darüber ließ er erst gar keine Zweifel aufkommen. Knapp 50 Persönlichkeiten markanter Prägung verkörpert Severin Groebner im Laufe seines Programms.

Für seine Milieustudie der lieben Leute ließ sich der Kabarettist eine originelle Laborsituation einfallen: An irgendeiner Bushaltestelle deponiert er ein Stativ samt Mikrofon - unbeaufsichtigt - versteht sich. Und Severin Groebner musste nur auf Passanten warten, die ihre Chance nützen wollten, technisch einmal verstärkt ihre Gedanken loszuwerden.

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In memoriam Herbert Hufnagl

"Ironie ist bekanntlich etwas, das nicht jeder gleich versteht", sagte Herbert Hufnagl aus Erfahrung und bediente sich zur Verdeutlichung seiner These eines Ausspruches von Kurt Tucholsky, der da heißt: "Ironisches hierzulande - kursiv".

Im Oktober starb der Kolumnist und Autor, der sich gerne als "Schreib-Denker“ bezeichnete und für den Humor und Unterhaltung immer wichtig waren, niemals geistloses Gewitzel. Er spürte die unfreiwillige Komik in Politik, Journalismus, in bürokratischen Abläufen und im profanen Alltag auf und bedachte selbige mit intelligentem Spott. Unvergessen bleiben seine Kolumnen, seine Kopfstücke, die er im Laufe der vergangenen 15 Jahre auch immer wieder vor Publikum zum Vortrag brachte.

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