Zum 80. Geburtstag von Irmgard Knef
Elli, nochn Bier!
Mitte der 1990er Jahre hat Ulrich Michael Heissig erstmals Irmgard Knef als Zwillingsschwester der berühmten Hildegard zum Bühnenleben erweckt. Seither brilliert er in der Rolle der rührigen Kreuzbergerin, die dieser Tage ihren 80. Geburtstag feierte.
8. April 2017, 21:58
"Ich glaub ein Weltstar werd ich nie ..."
Am 28. Dezember war es soweit: Irmgard Knef beging ihren 80. Geburtstag. Erstmals trat die vom Berliner Schauspieler, Autor und Entertainer Ulrich Michael Heissig erfundene Zwillingsschwester von Hildegard Mitte der 1990er auf die Bühne. Seither brillierte sie durch ihn bereits in drei Programmen in der Rolle der rührigen Kreuzbergerin, die zwar talentiert aber glücklos war, bis sie aus dem Schatten der übermächtigen Hildegard zu treten wagte.
Ich bin nicht die Hilde, für die man mich hält
Zur Person Irmgard Knef ließ sich Ulrich Michael Heissig eine ganze Reihe Details einfallen, die er seiner Berliner Diva in die fiktive Biografie schrieb: Zuhause in der Fidicinstraße, im edel-alternativen Teil von Berlin Kreuzberg, war ihre einzige Anbindung an die große weite Welt der angrenzende Flughafen Tempelhof. Während Hildegard als Künstlerin diese weite Welt eroberte, lernte Irmgard das zerbombte Berlin, seine Hinterhöfe und schummrigen Kneipen kennen.
Ellis Bierbar war Irmgards Stammlokal. Dort konnte sie anschreiben lassen - allerdings nur deswegen, weil Elli, die Besitzerin der Bar, dachte, Hildegard Knef sei die trinkfreudige Dame, die ständig mehr bestellte, als sie bezahlen konnte. Ellis Bierbar existierte tatsächlich. Die kleine Kneipe nahe dem Lausitzer Platz, die Heissig sofort mit Irmgard assoziierte, hat mittlerweile ein türkischer Friseur übernommen.
Kindchen, fahr ab!
Ulrich Michael Heissig - nur halb so alt, wie seine Irmgard - verkörpert die Figur der nun schon 80-jährigen Dame mit Grandezza. Eleganter Hosenanzug, blonde Perücke, schicker Hut und große Sonnenbrille sind sein schmückendes Beiwerk. Schlüpft er in die Rolle der Irmgard, besteigt er langsam und bedächtig die Bühne. Irmgard Knef hat keine Eile. Wenn sie das Mikrofon aus der Halterung herausnimmt, gibt sie der Technik mit einem hingehauchten "Kindchen, fahr ab! zu verstehen, dass es nun losgeht.
Mit unvergleichlicher Bravour meistert der deutsche Kabarettist und Schauspieler die Tonlage der Knef in jedem Chanson, in jeder Bemerkung. Das Scheitern machte er zu Irmgards Lebensthema. Dennoch legt ihr Darsteller großen Wert darauf, die innere Aufbruchsstimmung der alten Berliner Trümmerfrau energievoll umzusetzen.
Sorella non grata
Im wirklichen Leben hatte Hildegard Knef um die fiktive Zwillingsschwester aus Kreuzberg Bescheid gewusst, die Ulrich Michael Heissig kreierte. Zwar besuchte sie niemals eine Vorstellung des Künstlers, allein die Tatsache, dass sie ihn gewähren ließ, war ihm Zustimmung genug.
Nach dem Tod von Hildegard Knef im Februar 2002 ließ Heissig seine Irmgard zur eigenständigen Künstlerin werden, die in ihrem Programm auch ohne Querverweise auf die berühmte Schwester auskam. "Schwesterseelenallein sang und flirtete sie sich durch ihren fiktiven Kreuzberger Alltag.
Dinner for one
Mittlerweile 80 geworden, sieht sich Irmgard Knef allein auf weiter Flur. Die meisten Freundinnen und Bekannten sind bereits gestorben. Die betagte Diva selbst fühlt sich als letzte Vertreterin einer im Versinken begriffenen Welt. Dieser Stimmungslage entsprechend, die sich der deutsche Entertainer für seine resolute Irmgard ausdachte, nannte er sein aktuelles drittes Programm auch "Die letzte Mohikanerin - mit Irmgard als letzter Repräsentantin des alten, sozialdemokratischen Europas.
Ulrich Michael Heissig hat seiner intensiven Beschäftigung mit der echten Knef und mit der von ihm erdachten Zwillingsschwester auch ein Buch gewidmet. Die Autobiografie des Künstlers trägt den Titel "Irmgard, Knef und ich, ist im Parthas Verlag erschienen und gibt u. a. Auskunft über so manche Verwirrung, die Heissig mit der Figur der Irmgard Knef im Laufe der Jahre stiften konnte.
Mehr zu Irmgard Knef als "letzte Mohikanerin" in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Zum 80. Geburtstag von Irmgard Knef, Contra, Sonntag, 1. Jänner 2006, 21:30 Uhr
Buch-Tipp
Ulrich Michael Heissig, "Irmgard Knef und ich", Parthas Verlag GmbH, ISBN 3866014309
CD-Tipp
Die drei Knef-Programme des Berliner Künstlers kann man auch auf CD nachhören; erschienen sind sie im Con Anima Verlag.
Veranstaltungs-Tipps
Live erleben kann man Ulrich Michael Heissig als Irmgard Knef im Februar 2006 gleich zweimal: Als letzte Mohikanerin tritt die Diva am 24. Februar im RadioKulturhaus auf. Dieser Abend wird auch live in "Kabarett direkt in Österreich 1 übertragen.
Am 26. Februar lädt Ulrich Michael Heissig zu einer Lesung aus seiner Autobiografie "Irmgard, Knef und ich in die Rote Bar des Wiener Volkstheaters.
Links
Parthas Verlag - Buchdetails
Con Anima Verlag - CD-Details
Irmgard Knef