Wie die Karten des Gerhard Mercator die Welt veränderten
Der Weltbeschreiber
Er hat die erste moderne Weltkarte geschaffen. Bis heute werden Karten nach dem von ihm erfundenen Projektionssystem gezeichnet. Und auch das Wort "Atlas" für eine Kartensammlung in Buchform geht auf ihn zurück: Gerhard Mercator.
8. April 2017, 21:58
Für Nicholas Crane, britischer Geograf, ist Mercator derjenige, der aus unserem Planeten eine Landkarte machte, den Planeten "verlandkartete". Und das, obwohl er nie sehr weit herumgekommen ist - Ostflandern, Brabant und das Ruhrgebiet waren die Stationen seines Lebens.
Zeit des Fortschritts
Mercators Zeit war eine Zeit der Entdeckungen, des wissenschaftlichen Fortschritts, aber auch der religiösen Verfolgungen und der Intoleranz. Kolumbus, Vespucci und andere Seefahrer berichten über ferne Länder und fremde Menschen. Die Kartografen zeichnen nach diesen Berichten ihre Karten, und so verändert sich die Welt und das Bild, das sich die Zeitgenossen von ihr machen.
Auch Gerhard Mercator ist an diesem neuen Bild der Welt beteiligt. Er wird 1512 als Gerhard Kremer in Rupelmonde südwestlich von Antwerpen geboren. Er verwaist früh, sein Onkel, ein Priester, ermöglicht ihm ein Studium in Löwen, damals eine der besten Universitäten Europas. Schon während der Schulzeit wählt der junge Mann einen lateinischen Namen - ein Muss für jeden Humanisten, der etwas auf sich hält. Mercator erlernt das Handwerk des Kupferstechens, wendet sich der Mathematik zu, baut astronomische Instrumente.
Der ultimative Globus
Mit 23 Jahren ist er an der Fertigung eines Globus beteiligt, der alle bisherigen übertreffen soll. Und wirklich:
Noch nie hatte jemand in Löwen solch einen Globus gesehen. (...) Jeder, der Karten von hölzernen Drucken gewohnt war, dürfte gestaunt haben, wie klar und exakt Mercators kursive Beschriftung war. Und der Globus war auch hübsch verziert mit Segelschiffen und Meerestieren, ein paar versprenkelten Sternen und einigen von Vespuccis sexbesessenen Kannibalen im brasilianischen Binnenland.
Der Globus ist auch top-aktuell: Siedlungen, die in Amerika drei Jahre zuvor gegründet worden waren, sind eingezeichnet.
Mercator arbeitet nun als professioneller Kartenstecher und Globenbauer. Karten sind in religiöser und politischer Hinsicht nicht immer neutral, und so kann sich auch ein Kartograf Feinde machen. Mercator gerät ins Visier der katholischen Eiferer: Seine Karte des Heiligen Landes passt ihnen nicht, und er hat einem protestantischen Drucker Aufträge gegeben. Im Winter 1543 wird er verhaftet und in der Burg von Rupelmonde eingesperrt; letzten Endes kommt er aus Mangel an Beweisen frei.
Die Mercator-Projektion
Im Jahr 1569 sticht Mercator eine Weltkarte und erfindet dabei die nach ihm benannte "Mercator-Projektion", die noch heute verwendet wird. Seine Karte soll Seefahrern die Navigation erleichtern. Die Erde ist darauf winkeltreu abgebildet, Längen- und Breitenkreise als Geraden eingezeichnet. Seefahrer müssen nur den Kurswinkel zum Zielhafen ermitteln und Kurs halten. Das ist zwar nicht der kürzeste Weg, aber die am einfachsten zu navigierende Strecke, da nicht ständig der Fahrtwinkel angepasst werden muss.
Ein Nachteil der Mercator-Projektion ist, dass Richtung Nord- und Südpol die Verzerrungen immer größer werden: Grönland wirkt fast so groß wie Afrika, obwohl es fünfzehn Mal kleiner ist.
Der erste Atlas
Im hohen Alter, mit vierzig Jahren Verspätung, kommt Mercator endlich dazu, seine Gesamtdarstellung der Schöpfung zu beginnen. In den Karten der Niederlande verwirklicht er 1585 seine neue Sicht der "modernen Geografie": Politische Grenzen sind nun wichtiger als geografische Besonderheiten und Schmuckelemente.
Die Kartensammlung soll in Buchform herauskommen - Mercator ist einer der Ersten mit dieser Idee. Er nennt das Kartenbuch "Atlas" - nicht wie man vielleicht meinen könnte nach dem Himmelsträger aus der griechischen Mythologie, sondern nach dessen Sohn, einem König von Mauretanien und Astronomen. "Ich habe mir diesen Mann namens Atlas, der sich so sehr durch seine Gelehrsamkeit, Menschlichkeit und Weisheit auszeichnet, als Vorbild zur Nachahmung auserkoren." schreibt Mercator.
Mit 78 Jahren erleidet er einen Schlaganfall. Obwohl er teilweise gelähmt ist, und Schwierigkeiten beim Sprechen hat, arbeitet er weiter, solange er irgendwie kann. Er beginnt sogar noch, eine Abhandlung über die Schöpfungsgeschichte zu schreiben. Diesen wichtigsten Teil seines Werks hat er sich für das Ende seines Lebens aufgehoben. Nach einem zweiten Schlaganfall stirbt Gerhard Mercator, fast 83 Jahre alt, im Dezember 1594.
Buch-Tipp
Nicholas Crane, "Der Weltbeschreiber. Wie die Karten des Gerhard Mercator die Welt veränderten", aus dem Englischen übersetzt von Harald Stadler, Verlag Droemer Knaur, ISBN 3426272245