2005 - Das Jahr der Film-Raubkopien?
Oh du fröhliches Runterladen
Schon in der Halbzeit des Jahres 2005 ging die Kunde, dass illegale Film-Downloads weiter zunehmen. Um Geld-Ersparnis oder Kino-Filme geht es dabei aber gar nicht. Ich denke, es geht um einen reinen Technik-Thrill und darum, Freizeit totzuschlagen.
8. April 2017, 21:58
Es gab einmal eine Zeit, da war ein Kino-Besuch etwas Besonderes. Jedes Mal, wenn man ins Kino ging, kam es einem Feiertagserlebnis gleich. Wenn man ein richtiger Film-Freund war natürlich nur. Aber was und wer ist das schon? Und haltet gleich ein, Ihr Menschen, die ihr jetzt ätzt, schon wieder einer der meint, früher sei alles viel besser gewesen. In Kino-Hinsicht trifft das aber einfach zu. Tut mir Leid.
Unbegrenzte Möglichkeiten im Patschen-Kino
Ich möchte ja kein Fortschrittsmuffel sein, aber diese Zeiten sind definitiv vorbei. Aus mehreren Gründen: Die Kinos werden immer größer, aber auch leerer (und nicht wegen der Raubkopien), die viel gepriesenen Urban Entertainment Kino Center gammeln dahin (international), es wird unglaublich viel Schrott produziert (Hauptsache digital, der Stoff ist ja ohnehin wurscht!) und wenn der mal in den Kinos angelaufen ist, findet man ihn auch schon in den DVD- und Video- und Billig-Entertainment-Elektronik-Ketten zum Vorzugspreis. Oder man kann ihn eben mit diversen Super-Crack-Programmen downloaden.
Wundern Sie sich also darüber, dass so viel raubkopiert wird? Ich nicht. Denn Kinos sind längst keine Lichtspieltheater mehr und "The United Computer- and Techno-Freaks" sind dermaßen gut ausgerüstet mit Crack-Programmen und Heim-Kino-5.1-Technologien, dass sie sich den Kinobesuch eigentlich sparen können. Denken Sie vielleicht. Und liegen falsch. Aber das muss man erst mal erkennen.
Im Übrigen: Die Spots, die man vor Film-Start in den Kinos oder sonst wo zum Thema Raubkopien zu sehen bekommt, kommen dermaßen doof daher, dass ich selbst eigentlich immer mehr Lust bekomme downzuloaden als dass ich Angst hätte, mit Tausenden von Euros bestraft zu werden. Diese Schwerverbrecher-Spots laden fast ein.
Klogeher und Popcorn-Monster im Heim-Kino
Laut den Marktforschern der Yankee Group haben vergangenes Jahr 7,4 Prozent aller Breitband-User einen Spielfilm in voller Länge auf ihre Festplatte runtergeladen. Im Jahr zuvor waren es dagegen nur 1,7 Prozent. Trotz des großen Erfolgs von "Star Wars Episode III", der am 19. Mai anlief, fürchtete die Filmindustrie darauf große Schäden, die durch Raubkopien entstünden. Der Kinokassenschlager soll innerhalb von 24 Stunden rund 10.000 Mal runtergeladen worden sein.
Die Motion Picture Association of America (MPAA), der Verband der US-Filmwirtschaft, behauptet, dass illegale Kopien des Films sogar vor dem offiziellen Kinostart angeboten wurden. Ach so? Noch nie gehört? Ein Wahnsinn!
Ich habe schon in Wien oder vor Jahren in Shanghai eine dieser Kopien - nur aus Interesse - erstanden und ich muss sagen, mit Kino hatte das reichlich wenig zu tun. Außer man liebt es zu Hause einen Film zu sehen, der mit einer miesen, wackeligen Kamera von der Leinwand gefilmt wurde und dass einem auch zu Hause noch diverse Klo-Geher oder Popcorn-Monster durchs Bild laufen oder gar ihren eigenen Soundtrack noch beigeben.
Quo Vadis Film-Industrie?
Das Ausmaß von illegalen Filmdownloads muss außerdem relativiert werden, denn sie haben noch lange nicht die Popularität erreicht wie es für Musikdownloads der Fall ist. Macht also keinen Stress, die Musikindustrie wird auch schon seit Jahren totgebetet wegen der Downloads und sie lebt noch immer. Außerdem haben 78 Prozent der US-Konsumenten bei einer Umfrage von Ipsos Insight angegeben, in den nächsten zwölf Monaten keine Filme runterladen zu wollen. Das sind aber auch ehrliche Menschen, was?
Dieselbe Studie ergab aber auch, dass die User, die downloaden, es über illegale Filesharing-Seiten tun. Ach so? Das liegt daran, dass legale Downloadangebote für Filme noch weitgehend unbekannt sind im Gegensatz zu legalen Musikdownload-Seiten wie iTunes oder Napster.
Weniger Promo-Wahnsinn, mehr gute Geschichten
Fakt ist, dass es die wirklich interessanten Film-Produktionen, die wirklich vifen Kino-Stoffe, die wirklichen Film-Künstler und ihre Produktionsfilme es immer wieder schaffen, Filme in die Kinos zu bringen, die auch ohne großen Trailer- und Promo-Wahnsinn auskommen.
Liebe Produzenten: Macht weniger Wirbel um eure Filme und kommt auf leiseren, geschützteren Sohlen daher, dann werdet ihr schon nicht totgecrackt! Oder freut euch über so viel Aufmerksamkeit und größere Breitenwirkung. Und ich denke einer Major-Produktions-Firma (und um deren Erzeugnisse geht es in erster Linie) könnte es bei einem Produktions-Budget von - sagen wir mal - 80 Millionen Dollar für einen Film und unverschämten Schauspieler-Gagen wurscht sein, wie viel gecrackt wird. Es geht ja eh nimmer um das Film-Erlebnis, sondern in erster Linie um Brands und darum, wahrgenommen zu werden, einen Hype auszulösen. Vielleicht um "King Kong", vielleicht um was weiß ich. Die machen doch ihre fetten Gewinne längst in anderen Bereichen.
Die Raubkopie-Story des Jahres
Eine Sache allerdings gefällt mir, was das Downloaden und die Raubkopien betrifft besonders: Ich weiß nicht, ob es wirklich stimmt, aber ich habe heuer eine gute Geschichte aus Italien gehört. Und wenn sie nicht stimmt, ist sie gut erfunden und ich könnte auf diesen Zug aufspringen um viel, viel Geld zu verdienen.
Dort sind nämlich einige gewitzte Raub-Kopisten kurzerhand einen Deal mit der Polizei eingegangen. Und das funktioniert dann so: Raubkopisten laufen auf Italiens Straßen mit illegalen Film-Kopien herum, verkaufen diese an ahnungslose Touristen oder auch Einheimische. Polizisten warten auf die Käufer der illegalen Kino-Ware an der nächsten Ecke und bestrafen sie mit einer saftigen, mehrere Tausend Euro-Strafe für den Kauf der Kopie. Polizisten und Raubkopierer lachen sich dann irgendwo in einem Café tot und teilen die saftige Beute. Das wär' ein schöner Filmstoff, finden Sie nicht?
Links
Yankee Group
Ipsos Insight
MPAA