Marketingstrategien rund um Harry Potter

Die Botschaft des Zauberlehrlings

Von null auf vier Milliarden Dollar in acht Jahren: So hoch schätzt Stephen Brown den momentanen Wert der Marke Harry Potter. Der bekennende Potter-Fan durchleuchtet in seinem aktuellen Buch die Hintergründe, die zu dem großen Erfolg geführt haben.

Nur acht Prozent der Briten können den Namen der englischen Autorin Jane Austen richtig schreiben. Die Zauberschule Hogwarts fehlerfrei aufs Papier zu bringen, ist für 85 Prozent aber kein Problem. Da ist, laut Stephen Brown, keine Zauberei im Spiel, sondern vielmehr handelt es sich dabei um brillant durchgeführte Marketingstrategien. In den Augen des Autors, der Marktforschung an der nordirischen University of Ulster unterrichtet, ist Harry Potter ein Beispiel wie aus einem Lehrbuch, denn erfolgreiches Marketing muss Konsumenten mit Hilfe von Parabeln, Anekdoten, Seemannsgarn und Mythen regelrecht verhexen.

Das Geschichtenerzählen ist die Managementmethode du jour. "Tell the tale, make the sale", lautet der Tagesbefehl. Oder, anders ausgedrückt: "No tale, no sale", keine Geschichte, keine Geschäfte.

Mythenbildung

Geschichten rund um Harry Potter sind zahlreich vorhanden: Da gibt es die Legenden über das Leben der Autorin Joanne Rowling, die von der Sozialhilfe lebende allein erziehende Mutter, die in einem Café Zuflucht vor ihrer ungeheizten Wohnung sucht und dort das Buch schreibt, das später Millionen Menschen begeistert.

Weiters gibt es Geschichten von der Veröffentlichung: Der Literaturagent Christopher Little interessiert sich nicht für Kinderliteratur und legt das Manuskript auf den Stapel für Bücher, die abgelehnt werden. Erst eine seiner Mitarbeiterinnen stößt zufällig darauf und ist fasziniert davon.

Und nicht zuletzt gibt es die Verkaufsstorys: Kurz vor Erscheinen eines neuen Bandes werden Informationen unter die Leute gestreut wie etwa die Zahl der bisher verkauften Exemplare, Anzahl der Vorbestellungen beim Internetbuchhändler Amazon oder der logistische Aufwand bei der Zustellung.

Der Erfolg der Buchreihe gründet sich einzig auf geschickt inszenierten Medienrummel, völlig überzogene Werbung, lautes Marktgeschrei und was es sonst noch gibt in der Art. Mit derlei Vorhaltungen konfrontiert, tun die Marketingmenschen naturgemäß den Teufel und hüten sich abzustreiten, ihr Metier sei in der Lage, Bedürfnisse zu erzeugen.

Die Marketing-Zauberformel

Bei der Veröffentlichung der Harry Potter-Bände vertraute man auf eine Zauberformel des modernen Buchmarketings: ACCIO. ACCIO steht für Autor, Cover, Content - sprich Inhalt - I für Interesse und O für Obtainability, die Verfügbarkeit. Die Bücher rund um den jungen Zauberer erfüllen alle diese Kriterien.

Um das Interesse der Leser zu wecken, reicht der Inhalt alleine noch nicht aus. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, werden auf Webseiten und in den Schaufenstern der Buchhandlungen die Tage bis zum Verkauf gezählt und Informationen über auf mysteriöse Weise verschwundene Vorabexemplare veröffentlicht. Zum Erscheinungstermin wird sogar die Zahl der Verkaufsstellen erhöht um jedem Leser sein Exemplar zu sichern - einige werden deswegen an Tankstellen und Fastfood-Restaurants verkauft. Allein am ersten Wochenende nach Erscheinen des vierten Bands "Harry Potter und der Feuerkelch" sind 372.000 Exemplare über die Ladentische gewandert.

Negativwerbung wirkt

Dass die Pottermanie bis heute angedauert hat, schreibt der Autor vor allem den Hollywood-Verfilmungen zu, die nicht nur die Lücke bis zum Erscheinen des jeweils nächsten Bandes füllen, sondern selbst Rekordsummen einbringen. Negative Kritiken und Abschreckungstaktiken - wie die des Regisseurs zum Erscheinen des zweiten Films - heizen das Interesse zusätzlich an.

Als Christopher Columbus öffentlich warnte, "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" sei für kleine Kinder und insbesondere für solche mit einer Spinnenphobie viel zu gruselig, beschritt er damit den ausgetretenen Pfad der Abschreckung. Nichts weckt das Interesse von Kindern so garantiert wie der Hinweis darauf, ein Film sei zu erschreckend für sie.

Interessante Details

Das Buch "Die Botschaft des Zauberlehrlings. Die Magie der Marke Harry Potter" richtet sich gleichermaßen an eingefleischte Fans wie an Marketingprofis. Mit viel Ironie und Wortwitz beschreibt der Autor lustige und interessante Details rund um die Harry-Potter-Produkte. Wer sich allerdings eine Anleitung erwartet, wie er sein Produkt sicher zum Erfolg führen kann, der wartet vergebens. Brown zeigt lediglich auf, wie gutes Marketing funktionieren kann. Denn nichtsdestotrotz gehört zu einem Erfolg - wie Brown eingesteht - auch etwas, auf das man selbst keinen Einfluss hat: eine große Portion Glück.

Buch-Tipp
Stephen Brown, "Die Botschaft des Zauberlehrlings. Die Magie der Marke Harry Potter", aus dem Englischen übersetzt von Thomas Pfeiffer, Carl Hanser Verlag, ISBN 3446403108